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Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt!

 

Der Predigttext für den heutigen So ist der 23. Psalm (der G“ttesname wird, jüdischer Gebetspraxis folgend, mit  dem Wort „Adonaj“ wiedergegeben).

 

Psalm 23

1 Adonai ist mein Hirte,

   ich entbehre nichts.

2 Auf anmutigen Auen läßt Er mich ruhen,

   zu Wassern der Ruh führt Er mich.

3 Wieder und wieder bringt Er meine Seele zurück,

   leitet mich in den Bahnen des Rechts

   um Seines Namens willen.

4 Auch wenn ich gehen muß in todumschattetem Tale,

   fürchte ich nichts Böses,

   denn Du bist bei mir,

   Dein Stab und Deine Stütze, sie trösten mich.

5 In Gegenwart meiner Dränger bereitest Du vor mir den Tisch

   hast mit Öl mein Haupt gesättigt,

   seitdem ist mein Becher immer voll.

6 Nur Gutes und Liebes verfolgen mich

   alle Tage meines Lebens,

   und dann kehre ich heim

   in das Haus von Adonai

   für die Länge der Tage.

 

Liebe Gemeinde!

Flüchtlingsgespräche: allerdings solche der Bibel.

David, der von Saul verfolgt wird, spricht mit G“tt.

Saul, der schwarzgallige und machtkranke König trachtet David nach dem Leben; dessen Stern ist am Himmel über Israel glänzend aufgegangen, allseits geliebt, allseits begabt und begnadet: G“ttes Geist ist mit ihm, zu reden wie zu kämpfen versteht er, seine Musik lindert die Schwermut, zu Zeiten sogar die des alternden Königs.

Zuletzt aber war Sauls Angst, die Macht an den Jüngeren zu verlieren, stärker als die Musik; zweimal schleuderte der König seinen Speer nach dem lautespielenden David. Der Junge flieht und entkommt, zunächst nach Nob, einer Stadt nahe bei Jerusalem; kreuz und quer dann durch die Provinz Juda verlaufen die Fluchtbahnen, ins judäische Gebirge, und wieder weiter nach Westen und weiter in den Süden von Hebron in die judäische Wüste, schließlich auf die Berghöhen und in die Wüste Engedi, ganz im Osten der Provinz und nahe dem Toten Meer. Mal in Höhlen, mal in einen dürr-vetrockneten Wald, dessen Lehmboden so spröde und rissig wie eine alte Tonscherbe ist (Jaar-Chares / Jaar-Charet: Tonscherben-Wald, 1 Sam 22, 5), mal auf die Bergfeste, mal in Wüsteneinöde  jagt Sauls Verfolgung David und seine Getreuen; ein Häuflein, chancenlos gegen des Königs Heer, sollte es zum Kampf kommen.

 

Flüchtlingsgebet: auf der Flucht und irgendwo in einer der Einöden spricht David so zu G“tt:

Adonai ist mein Hirte, ich entbehre nichts. Da draußen ist nichts, was ich entbehre. Wohin mein Herr und mein G“tt mich leitet, da mangelt es mir an nichts. Was ich nicht habe, das entbehre ich nicht, denn G“tt versagt es mir.

G“tt sagt Nein und bejaht mich darin; nimmt mir und beschenkt mich damit. Lebendig bin ich, weil Er mich tötet. Alles, was Er tut, dient mir zum Besten.

Nach Seinem Hirtenstab richtet sich die Welt und zerfällt:

- in das, was sie mir tut und was sie mir vorenthält, an Gutem und an Bösem.

  Wenn aber G“tt nicht mit dabei ist und Ja sagt, dann entbehre ich alles.

- und es bleibt der Welt und Menschen Güte wie Bosheit; und G“tt ist mit dabei

  und will es so, dann entbehre ich nichts.

 

So einfach ist das; und ist doch das Allerschwerste.

Ein Unfall, eine plötzliche Krankheit, der Verlust eines geliebten Menschen oder eine Verkettung von Zurücksetzung, Unrecht und Enttäuschung – und schon ist all unser Glaube, unser G“ttvertrauen zersiebt, porös, dahin. Uns wird schwarz vor Augen, der Boden gibt nach, wir greifen ins Leere. Wenn wir nach der Frage greifen können:

„Mein Herr und mein G“tt, was hast Du in all dem mit mir vor?“

sind wir schon fast gerettet und haben wieder Halt. Denn wir fragen nach G“tt.

Ob wir mit Ihm ins Gespräch kommen, gehört nicht zuletzt in die Intimität unseres Betens. Auch das verborgene Antlitz bleibt doch G“ttes Antlitz; selbst ein Nein ist Gnade, denn es ist G“ttes Nein.

Manchmal taugt auch ein Gespräch unter Menschen; Hiobs Freunde allerdings halten wir auf Abstand. Solche Leute, die theologisch korrekt zu wissen glauben, womit wir denn es verdient und verschuldet haben, auf der Asche unseres Leids zu sitzen. Wir suchen uns stattdessen solche Freunde, die mit uns zusammen all das, was uns widerfährt, daraufhin befragen und abhören, ob wir es da doch mit G“tt zu tun haben – weil G“tt mit uns zu tun hat und an uns handeln will.

Denn „streng ist Seine Güte, gnädig Sein Gericht“, so heißt es einmal in einem unserer Passionslieder (EG 97, 4. Strophe), und die Leitung durch Seinen Hirtenstab geht zu Zeiten auch gegen unseren Eigenwillen und also nicht ohne Schmerzen ab.

In solchem Fragen und Hören sind wir geduldig und langmütig, aber nicht auf Kosten unseres Widerstandes, dort Nein zu sagen und zu widerstehen, wo einzig Mensch und Welt Leid und Entbehrung bringen – denn es ist kein G“tt dabei.

Und wenn sie uns dann fragen, woher wir unser Ja und Nein nehmen, unsere Gewißheit, das Recht vom Unrecht zu scheiden, dann antworten wir:

„Wieder und wieder bringt Er meine Seele zurück,

 leitet mich in den Bahnen des Rechts

 um Seines Namens willen.“

Bringt uns heim aus der Irrnis der Orientierungslosigkeit, nicht zu wissen, was recht und unrecht ist; so gehen wir im Kreisgang Seines Rechtes und kommen doch voran.

Selbst durchs Tal, in dem der Tod hockt. Sein Schatten frißt alles Licht, frißt sich über die Ränder des Tales und kriecht den Berg aufwärts und hinauf bis Golgatha, alles, was warm und leuchtend war, wird kalt und fahlgrau, bis hinauf zur Sonne kriecht der Todesschatten, so daß selbst die Sonne schwarz wird.

        Und doch gehe ich durch dies todumschattete Tal. Ich richte mich auf am Stab und an der Stütze, daß Du bei mir bist, mein Herr und mein G“tt. Ich baue mir eine Brücke aus Erfahrungen,

- da ich Dich erfuhr,

- als Du mich rettetest – schon einmal war es so, mehr als einmal.

Ein schmale Brücke ist es, schwankend aufgehängt und festgemacht an meinem Vertrauen auf Dich, aber sie führt durchs Tal und über den Abgrund da unten, wo der Tod sitzt. Ich lebe, neu ist das jeden Tag und alles andere als selbstverständlich. Ich lebe, weil ich gerettet bin, jeden Tag und alles andere als selbstverständlich.

Gerettet wurde David, vor dem wütenden Speer des Saul, vor der Meute der Verfolger; und Der, Der ihn rettete und durch alle Gefahren hindurch leitete, richtet ihn auf zu einer Zuversicht, die alles Bedrohliche gebieterisch auf Abstand halten kann:

„In Gegenwart meiner Dränger bereitest Du vor mir den Tisch

 hast mit Öl mein Haupt gesättigt,

 seitdem ist mein Becher immer voll.“

G“tt tritt dazwischen und hält auf Abstand; der Verfolgte kommt zur Ruhe, jetzt schon, nicht erst in ferner Zukunft. Jetzt schon, der Soldateska von Mördern und Totschlägern entgegen. Gegenwärtig sind sie und doch machtlos, sie kreisen in ihrer ohnmächtigen Wut und langen nicht hinüber.

Stattdessen: die Verfolgten werden satt, reich ist der Tisch gedeckt. G“tt streicht ihnen sanft übers Haar und salbt sie. So werden sie geehrt. Wie Priester, wie Propheten, wie Könige. G“ttes Segen geht unter die Haut und heilt die Verletzungen, auch die inneren.

David hat es schon erfahren, als der Prophet Samuel ihn in G“ttes Namen salbte.

Darauf stützt er sich, daran hält er sich, seitdem ist sein Becher immer voll, seither leidet er keinen Mangel mehr.

Voll, ja übervoll ist der Becher, läuft über, wenn wir nicht daraus trinken und uns laben.

 

Liebe Gemeinde,

haben Sie Verlangen nach ein wenig Gematria? An dem geistreichen Spiel, Buchstaben und Zahlen miteinander ins Gespräch zu bringen?

Und was unserem Joh. Seb. Bach recht war, der so gerne seine religiösen Text-Kompositionen mit reichlich Zahlenmystik vertiefte, das ist den Rabbinern billig. Das hebräische Wort für Becher „Kos“ hat den gleichen Zahlenwert wie das biblische Wort für Richter „Elohim“, welches auch ein G“ttesname ist:

G“tt, der Richter. Mit dem Maß des Rechts und des Erbarmens und der übersprudelnden Liebe füllt G“tt, der Richter, die Becher. Jeder und jede bekommt das ihnen Rechte, jedem und jeder widerfährt so Gerechtigkeit.

Und mehr als das: zu G“ttes Maß gehört die Maßlosigkeit Seiner Liebe und Güte, die ließe die Becher überlaufen, wenn wir, die wir elend und durstig sind, nicht daraus tränken.

Gibt es ein schöneres und treffenderes Bild für das, was wir mit dem Werk der Diakonie meinen? Denn darin versammelt sich beides: die Gerechtigkeit (hebr. „zedaka“) gegen jeden, gemäßigt durch das, was ihr oder ihm zusteht, und die Liebe (hebr. „chessed“), die so vergeßlich gegen Grenzen ist.

 

Flüchtlingshoffnung:

Daß die Verfolger sich von Grund auf wandeln, Böses in Gutes, Haß in Liebe sich wende, das ist die abgründige Hoffnung unseres Flüchtlings:

„Nur Gutes und Liebes verfolgen mich

 alle Tage meines Lebens,

 und dann kehre ich heim

 in das Haus von Adonai

 für die Länge der Tage.“

Eine abgründige Hoffnung, weil für sie unsere Vernunft keine Gründe mehr beibringen kann, weil sie weiter und tiefer langt als unsere Gründe. Dort, wo sie noch trägt, haben unsere Gründe zu tragen aufgehört. Wer aber auf der schmalen Brücke des G“ttvertrauens durchs Tal hinüber kommt, der vermag so zu hoffen.

- Wie David: der alle seine Anliegen auf G“tt warf und wohl versorgt wurde

- Wie Abraham: der sein Leben und all seine Zukunft, sein Ein und Alles, den

  geliebten Isaak in G“ttes Hände gab – und G“tt liebt ihn dafür und rechnet es

  ihm auf ewig an

- Wie Jesus: den alle Welt verwarf und der es geschehen ließ, weil er sich

  ganz dem Vater entgegenwarf – und der Vater liebt ihn dafür und rechnet es

  ihm auf ewig an.

 

Und worauf stützt sich G“tt selbst?

Auf vier Ellen Tora (Halacha), sagen die jüdischen Weisen. Soll heißen: auf das kleine Fleckchen Erde, wo G“ttes Weisung  gefolgt und Sein Wille getan wird.

Wo Er uns hat, die auf ihn vertrauen und auf Seinen Wegen gehen.

Und so gehen wir gemeinsam und kommen endlich nach Hause, ins Haus G“ttes. Zu den gedeckten Tische mit den vollen Bechern und dem Lebensbrot. Und die verfolgt waren, finden zur Ruhe, endlich. Und die gedemütigt und gequält wurden, werden heil durch G“ttes Berührung: Königskinder, die sie sind. Und sehen dem großen König ins Angesicht.

Amen.

Und der Friede G“ttes, der höher ist als all unsere Vernunft,

bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

 

Amen.

 

Liturgie des G"ttesdienstes


erstellt am
22.02.2005

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