Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist,
der da war und der da kommt!
Der Predigttext für den heutigen So steht
im Ev nach Mk, Kap 12, 41-44
Markus, Kap.
12, 41-44 |
41 Und Jesus setzte sich dem Tempelschatz-Kasten
gegenüber und betrachtete,
wie das Volk Geld in den Schatz-Kasten
einlegte. Und viele Reiche legten
viel ein.
42 Und eine arme Witwe kam und legte zwei
Peruta, das ist ein Viertel Issar,
ein.
43 Da rief Jesus seine Jüngerinnen und Jünger
zu sich und sagte zu ihnen:
Amen, ich sage euch: diese arme
Witwe hat mehr eingelegt als alle, die in
den G“ttes-Kasten
eingelegt haben.
44 Denn alle haben aus ihrem
Überfluß eingelegt;
diese aber hat aus ihrem
Mangel heraus eingelegt alles, was sie
hatte, ihr ganzes Vermögen. |
Liebe
Gemeinde!
Alles ist für G“tt gerade genug:
Das nahende Wallfahrtsfest
Pessach,
das Passa-Fest, zieht Volk aus aller Welt nach Jerusalem. Die
Stadt, Zentrum der jüdisch-religiösen Welt, brummt.
Es ist laut, und die Geräusche des Marktes
wehen auch in die Tempelhalle.
Noch mehr Geldwechsler und Tierhändler als
sonst gehen ihren Geschäften nach, dort in einem der Vorhöfe des Tempels.
Denn alle jüdischen Männer, zusammen mit ihren Familien, sind verpflichtet,
hinauf nach Jerusalem zu ziehen, dreimal im Jahr, nun gerade wieder zu
Pessach:
um G“tt für die Befreiung aus Ägypten zu danken, um G“tt anzubeten, um vor
G“ttes Angesicht sich zu freuen. Nicht nur aus Israel, aus der ganzen Diaspora
kommt man gezogen; genügend Geld in den Taschen. Das tauscht man vor Ort gegen
Tiere und alles andere, das G“tt dargebracht werden soll, auf
daß
G“tt alles Dargebrachte in Seine Reichtümer tausche und niemand leer von Seinem
Angesicht fortgehen müsse...
Da ist auch eine arme Frau aus Jerusalem,
eine Witwe; armgeworden vielleicht durch einen religiösen
Scharlatan, einen wahren Tartuffe, der das Hab und
Gut, das ihr von ihrem Mann geblieben war, aufgefressen hat, mit seinen scheinheiligen
Gebeten; der zunahm um das, worin sie arm und ärmer wurde.
Ihre G“ttesfurcht
und G“ttesliebe aber sind ungeschmälert.
Den westlichen Vorhof des Tempels, der nur
den Frauen vorbehalten ist, hat sie verlassen. Später, wenn es dort nicht
mehr so turbulent sein wird, geht sie wieder hin. Jetzt aber betritt sie durch
den Eingang im Frauenvorhof die Tempelschatzkammer. 13 Kästen stehen dort,
um Geld hineinzulegen. Sie geht auf einen der 13 Opferstöcke zu und legt 2
kleine Kupfermünzen, zwei Peruta, hinein. Der diensttuende
Priester gibt den gespendeten Betrag – wie es üblich ist - öffentlich bekannt.
Und schon kommen die nächsten, etwas zu geben, so gar vieles. Wie bereits
vor ihr viele gekommen sind, vieles zu geben. Reich nennt sie Jesus, denn
sie geben von ihrem Überfluß. Sie geben und werden
durch ihre Gabe nicht ärmer, denn sie geben von Zins und Gewinn ihres Besitzes,
nicht aber von seiner Substanz. Wer reich ist, kann so durchaus sehr viel
geben, einen hohen Betrag Geldes – und gibt doch nicht viel, denn er gibt
nicht dahin.
Alle anderen geben so, sie aber, die arme Witwe, gibt alles
und alles G“tt dahin.
Sie, die namenlose Jüdin, gibt ihr ganzes
Vermögen, das für sich genommen, verschwindend klein ist, zwei Kupfermünzen
nämlich. Sie gibt nicht reserviert, also etwa eine Münze, um die andere
Hälfte ihres Geldes zu behalten – selbst das wäre schon eine Gabe, die sie
von den Vielen unterschiede, denn es wäre die genaue Teilung der eigenen Güter.
Sie gibt vielmehr vorbehaltlos ihr ganzes
Vermögen, denn sie gibt G“tt mit ihrem ganzen Herzen und mit ihrer ganzen
Seele. Ihre Liebe zu G“tt macht es so. Sie gibt dahin und überläßt
alles Ihrige G“tt. Wer so liebt, ist selig. Gibt mit leichten Händen,
grenzvergessen
und innerlich frei, und bedarf doch ganz des Geliebten, an den sie sich ausliefert.
„Höre Israel, der Ewige, unser G“tt, der
Ewige ist der einzig Eine. Und liebe den Ewigen, deinen G“tt mit deinem ganzen
Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Vermögen“ –
Mk hat uns heute schon an dieses Gebot der
G“ttesliebe erinnert.
Aber in unseligen Zeiten, in denen der Mangel
herrscht, zunächst der der Liebe, mehr aber noch der der Gerechtigkeit, tut
ein wenig Wirtschaftskunde gut.
Was und
wieviel
ist eine Peruta? Sie war in der damaligen Zeit die
kleinste und an Wert geringste Geldmünze, eine Kupfermünze, unserem Cent vergleichbar.
Für eine
Peruta
konnte man eine Zitrone oder einen Granatapfel erwerben, oder eine kleine
Lampe mit Docht. Für einen kleinen Laib Brot mußte
man einen Issar aufbringen, also 8
Peruta,
das Vierfache dessen, was die Witwe gab.
Ein Tagelöhner, der zur Unterschicht gehörte,
bekam als Tageslohn max. einen Sela (entspricht einem Schekel), das sind ca.
800 Peruta – drei Tageslöhne kostete ein einfaches
Hemd. Für einen guten Mantel mußte man knapp 5000 Peruta bezahlen,
den Lohn eine Woche Arbeit. Ein Paare Ochsen, um selbst zu pflügen, hatte
einen Gegenwert von 50 Sela oder von 50 Tagelöhnen.
Die arme Witwe gibt also einen verschwindend
geringen Betrag, der, sollte er einen Mangel mitbeheben,
dem sprichwörtlichen „Tropfen auf den heißen Stein“ vergleichbar wäre. Ein
spurloser und bedeutungsloser Betrag, gegeben von einer namenlosen Frau, die
aus dem Dunkel der Namenlosigkeit und Armut ins Dunkel der Namenlosen und
der Armen hinübergeht. Zwischen Dunkel und Dunkel ein Dazwischen: der
Moment, da ihre minimale Gabe genannt wird. Der Augenblick, in dem Jesu Blick
die Vorübergehende trifft und festhält, was Liebes sie tat.
Ein Augenblick, der der Flüchtigkeit der
Zeit entgeht und ewig ist. Denn Jesu Blick lenkt G“ttes Augen auf die Gerechte,
von nun an für alle Zeit gesehen und erkannt. Und Jesu Erzählung rettet die
Liebestat aus der Bedeutungslosigkeit ins Evangelium, in die gute Botschaft,
von nun an und für alle Zeit wieder und wieder zu erzählen.
Das Beste ist für G“tt gerade gut genug:
13 Schatzkästen, Opferstöcke standen in der Tempelschatzkammer,
die verschiedenen Zwecken dienten: für Tempelgerätschaft und Tempelgebäude,
deren Erhaltung und Ausbesserung konnte man geben. Oder für die Vielzahl der
öffentlichen Opfer, die täglich im Tempel G“tt dargebracht wurden. Oder für
die Armen, die Witwen und Waisen und sonst Bedürftigen, die so unterstützt
wurden.
Für welchen Zweck die arme Witwe gab, erfahren
wir nicht. Vielleicht gab sie für die, die noch ärmer als sie waren, für die
Leprakranken, an denen sie auf dem Weg vom Frauenvorhof zur Tempelschatzkammer
vorbeikam. Vielleicht gab sie für die täglichen Ganzopfer, mit denen sich
das Volk des Morgens und des Abends seinem einzig-einen G“tt
ganz und gar hingab. Und vielleicht waren ihr diese Unterschiede der Zwecke
gar nicht so wichtig. Lieferte sie doch alles Ihrige G“tt aus, auf
daß Er das wenige, das Nichts, das sie Ihm gab, selig
vertausche und verwechsele mit Seinen Reichtümern und in Seine
Güter, sie zu geben, wem und zu welchem Zweck auch immer.
Denn, nicht wahr, ist G“tt nicht der erste
Täter Seiner Tora, der Erste, Der Sein Gebot der unbedingten und vorbehaltlosen
Liebe lebt? Der mit Seiner ganzen Seele Sein Volk sucht und es liebt: mit
Seinem ganzen Herzen; und Seine ganze Kraft an den Einen aus diesem Volk darangibt,
daß Christus nicht im Tode bleibe, sondern zum Leben
auferstehe.
Was anderes als das Beste könnte da für G“tt
gut sein? Kein Häutchen im Auge des Opfertieres, das Auge zu trüben, keine
Quetschung oder Verkürzung seiner Gliedmaßen, kein innerer oder äußerer Makel
darf die Güte der Tiere, die man darbringt, beeinträchtigen - makellos, fehlerlos
sollen sie sein.
Deshalb auch tauschen die, die von weither
nach Jerusalem kommen, erst in der Stadt das mitgebachte
Geld gegen die Opfergaben vor Ort des Tempels, damit nur das Beste vor G“ttes
Angesicht komme. Mitgebrachte Tiere und Erntegaben könnten auf dem langen
Weg zu Schaden kommen.
So gehört der Tausch zum Tempel wie zu G“tt,
denn Er ist es, Der nimmt und gibt: nimmt das Schuldopfer und gibt einen versöhnten
Neuanfang, nimmt das Dankopfer und gibt gesellige Freude, nimmt das Ganzopfer
und gibt sich ganz in unbedingter Liebe - und kann das viele Geld, das Reiche
geben, für nichts erachten; das wenige aber kann Ihm alles sein, denn es war
alles, was die Arme hatte und dahingab.
„Selig sind die Armen, denn ihrer ist das Reich G“ttes“
Selig ist die arme Witwe, denn sie liebt G“tt ohne irgendeinen Vorbehalt.
Selig ist sie
gewiß
im Augenblick ihrer Gabe, aber wieweit und wie lange
diese Seligkeit auch ihren Alltag trägt, darüber wissen wir nichts. Gut möglich,
daß der Alltag, den sie zu bestreiten hat, sie verzweifeln
läßt. Gut möglich, daß
sie in der unseligen Welt, in der das Nehmen über das Geben herrscht, unter
die Räder kommt. Denn in der unseligen Welt herrscht nicht der Tausch, mit
dem G“tt tauscht, sondern der menschliche Tausch des Geldes.
Und nach dessen Gesetzlichkeit werden die Armen ärmer, während die Reichen
reicher werden.
Denn in der unseligen Welt der Geldwirtschaft
wird den Armen genommen und den Reichen gegeben, eine Gesetzlichkeit, ein
eherner Zwang, längst jenseits des freiwilligen Gebens und Nehmens.
Liebe Gemeinde,
auf die Geschichte der armen Witwe folgt
im Evangelium des Markus unmittelbar Jesu große Rede über die Endzeit und
das Kommen des Reiches G“ttes. Wohin gehört nun die arme Witwe?
In die Welt, dort ist sie arm und wird noch
ärmer, weil sie gegeben hat. Über eine Welt aber, in der, wer vorbehaltlos
gibt, nur ärmer wird, ist das Ende schon gekommen.
Und gehört doch schon ins Reich G“ttes: denn
selig ist sie in ihrer Liebe zu G“tt.
Darin ist sie überreich, weil sie gegeben
hat, von ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit ganzem Vermögen. Selig ist sie,
denn sie liefert das Ihrige ganz an G“tt aus; so ist sie bei Ihm, allezeit.
Und was sie tat, darauf richtet sich Sein Blick, erkennend und also liebend.
Und wenn G“ttes Reich kommt, dann wird G“ttes
seliger Tausch die ganze Welt in Seinen Tempel verwandeln. Da wird jedes Gerät,
jeder Tiegel und Topf G“tt heilig sein, und auf den Schellen der Pferde wird
stehen: Heilig dem Herrn der Heerscharen (vgl. Sach
14, 20ff). Und wer arm war und hungrig, wird an
G“ttes Tisch satt werden und reich bewirtet. Und G“tt wird sich sättigen an
unserer Hingabe, mit der wir alles tun und geben.
Bis dahin aber bleibt uns zu erzählen wie
Jesus erzählte und mit seinen Augen zu blicken.
Amen.
Und der Friede G“ttes, der höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Liturgie
des G"ttesdienstes