Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist,
der da war und der da kommt!
Der Predigttext für den heutigen G“ttesdienst zum Altjahresabend
steht im
Evangelium des Lukas, Kap. 22, 24-34
Lukas, Kap
22, vv 24-34 |
24 Es entstand aber unter ihnen
auch ein Streit darüber, wer von ihnen als der Grösste gelten könne.
25 Da sprach er zu ihnen: Die Könige der Völker üben die Herrschaft über sie
aus, und ihre Gewalthaber lassen sich Wohltäter nennen.
26 Ihr dagegen nicht so! Sondern der Grösste unter euch soll werden wie der
Jüngste, und der Hochstehende wie der Dienende.
27 Denn wer ist grösser, der zu Tische Sitzende oder der Dienende? Ist es nicht
der zu Tische Sitzende? Ich aber bin mitten unter euch wie der Dienende.
28 Ihr aber seid die, welche in meinen Versuchungen bei mir ausgeharrt haben.
29 Und wie mir mein Vater ein Königreich bestimmt hat, bestimme ich für euch,
30 dass ihr an meinem Tisch essen und trinken sollt in meinem Reich und auf
Thronen sitzen, um die zwölf Stämme Israels zu richten.
31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat sich euch [von Gott] ausgebeten, um euch
im Sieb zu schütteln wie den Weizen;
32 ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre; und du, wenn
du dich einst bekehrt hast, stärke deine Brüder!
33 Er aber sagte zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und
in den Tod zu gehen.
34 Da sprach er: Ich sage dir, Petrus: Der Hahn wird heute nicht krähen, bis
du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen. |
Liebe
Gemeinde!
Wir sind - „zwischen den Zeiten“.
Das alte Jahr neigt sich, das Neue Jahr geht auf, wir sehen zurück und hoffen
voraus. So sehen wir uns um und sind frei, der gewöhnlichen Zeitfolge zu entkommen.
Wir lassen uns vom Evangelium
leiten und blicken voraus: auf die Zeit des Abschieds, auf die Situation des
letzten Mahles unseres Herrn mit den Seinen. Es ist dieses Beisammen-Sein, in
das Jesus seine Trostwort hineinspricht, welches uns
das ganze Jahr begleiten wird:
„Ich aber habe für dich gebeten,
daß dein Glaube nicht aufhöre; und du, wenn du dich einst bekehrt hast, stärke
deine Geschwister“ (V.32).
Zu Simon sagt Jesus das, zu Simon,
der auch Petrus genannt wird, welches Wort übersetzt „Fels“ heißt. Aber weit
davon entfernt, ein tragender Fels zu sein, wird Petrus von seiner menschlich-allzumenschlichen
Schwäche versucht werden und seinen Freund und Herrn verleugnen – später, aber
noch in derselben Nacht wird das sein. Wenn man ihm zusetzen und ihn einengen
wird, seine eben noch versprochene Anhänglichkeit nun konkret zu bewähren –
„ach Herr, ich bin bereit, mit dir bis ins Gefängnis und bis in den Tod zu gehen“
–, wenn man ihn befragen wird, dann wird er den da nicht mehr kennen
und so auch sich selbst nicht mehr: „nein, ich bin´s nicht, ich gehöre nicht
zu dem da“.
So schnell geht das, so nah grenzen
Anhänglichkeit und Verrat aneinander, so plötzlich schlägt da Eins ins Andere
um, wenn – im Bilde gesagt – Satan das Sieb schüttelt und die Spreu vom Weizen
trennt. Ausgesiebt, beiseitegetan, weggeworfen, die Satanslogik arbeitet schnell
und endgültig - Zeit, sich anders zu zeigen, räumt
sie nicht ein.
Jesu Logik arbeitet anders, denn
es ist die Logik des Gebets. Simon hat doch gut schon angefangen, er
und seine Freunde haben bereits in einigen Situationen sich bewährt, „ausgeharrt“,
wie Jesus sie erinnert. Aus eigener Kraft aber wird
ihr Vertrauen und ihr Glaube nicht zu jeder Gelegenheit, nicht immer tragen.
Es wird dazu kommen, daß sie das Versprochene nicht einlösen, sie das Zeugnis
verdunkeln, daß der Boden schwanken wird und sie den Halt verlieren werden.
Jesu Gebet aber ist da schon dazwischengetreten, ihnen zugute, damit sie wieder
aufstehen und sicheren Tritt gewinnen. Jesu Gebet und Fürbitte tritt dazwischen,
damit der, der da einmal fällt, nicht endgültig am Boden bleibt, sondern wieder
auf die Beine kommt, um an die guten Anfänge erneut anzuknüpfen. Seine Fürbitte
tritt dazwischen, damit die Satanslogik, es wäre da etwas und jemand endgültig
gescheitert, nicht obsiegt – unser aller Satanslogik.
Es ist ganz wunderbar und von
g“ttlicher Logik, den schwankenden Simon Petrus zum Felsen zu machen, uns allen
zur Mahnung und zum Trost, die wir mindestens so schwach und schwankend wie
Simon Petrus sind. Allzumal keine Glaubensheldinnen und Glaubenshelden, vielmehr
solche, die des Haltes bedürfen.
Es ist heilsam, sich gemahnen
zu lassen, worauf unsere Kirche steht und worin sie gipfelt: Petrus, der Fels
zuunterst und der wetterwendische Hahn des Verrats auf dem Dach, zumindest auf
einigen Kirchendächern.
Und wir werden gehalten von dem Einem,
welcher uns zugute dazwischentritt, von Christus, den der Apostel Paulus so
ganz treffend den Sohn Abrahams nennt. Der es wie Vater Abraham macht: ganz
nahe an G“tt, den Richter heranzutreten und Ihn ins Gespräch zu verwickeln –
ob sich nicht doch etwas Gutes und einige Gute fänden, um deretwillen auch das
Schlechte und die Schlechten noch miterhalten blieben und so eine Frist bekämen.
Der es wie der Gesetzeslehrer
Mose macht, als das Volk das Goldene Kalb anbetend G“tt verrät und G“ttes enttäuschte
Liebe in versengenden Zorn sich verkehrt, alles Volk außer Mose auszulöschen.
Mose aber fleht zum Herrn für das Volk, es nicht zu vernichten, und erinnert
G“tt an Seine guten Anfänge mit Seinem Volk. Er tritt mit seinem Leben an die
Seite der Bedrohten, welches eigene Leben G“tt ihm nehmen könne - sinnlos wie
es dann wäre, ohne sein Volk; und vielleicht wiegt diese Treue und Anhänglichkeit
Mose´ die Treulosigkeit des Volkes auf, zumindest auf der Waage G“ttes.
Liebe
Gemeinde,
Wer fürbittet, sieht von seinen
eigenen Belangen und von dem, was sonst uns bitten macht, weg und ganz hin auf
das, was einem Anderen gut wäre und guttäte. Dafür
tritt der Fürbittende ein, als ob es sein eigenstes Verlangen wäre.
Wer so bittet, tritt an die Stelle
des Anderen und wird so sein Stellvertreter.
Wer so bittet, bringt an eigener
Statt den Anderen vor den Thron G“ttes und dessen Anliegen dort zu Gehör.
Wenn wir fürbittend beten, machen
wir etwas bewußt und ausdrücklich, was jedem Beten eignet, sofern es mehr als
eine sehr private Herzensergießung ist, die nur das Ureigenste vor G“tt bringen
will. Beten nämlich bedeutet Teilnahme.
So verhält es sich z.B., wenn
wir die Psalmen beten, denn dann beten wir an der Seite Israels, ohne daß uns
das eigens bewußt ist, meistenteils. Und wenn etwa jemand für sich in einer
Situation der Not mit den Worten eines Psalms betet, dann verbindet er die eigene
Not mit derjenigen, die einstmals diese Not im Psalmgebet zur Sprache brachte
– und von da an viele Male. Und wer sich freuen kann und G“tt loben muß, dessen
Segenswort und Halleluja gesellt ihn an die Seite all derer, die G“tt auch schon
so ans Singen brachte. Beten stiftet Beziehungen und ereignet Teilnahme.
Wenn Jesus in der Stunde seines
Todes die Anfangsworte des Psalms 22 „Mein GOTT, mein GOTT, warum hast du mich
verlassen?“ betet, dann erinnert er den Beter, der einst so schrie, dann gesellt
er sich ihm in seiner Not zu, dann bringt er dessen Leid mit vor G“tt. Beten
verbindet das eigene Leben mit anderem, und vor G“tt tut es das.
So ist es also überhaupt keine
Schwäche oder ein Mangel, wenn wir in geprägter Sprache beten, denn betend verliert
die Sprache ihre Fremdheit und gesellt vielmehr. Deshalb kennt das zentrale
Gebet, das Jesus lehrte, das Vater Unser, auch kein einzelnes und vereinzelndes
„Ich“, durchgehend aber ein „wir“ und „uns“.
„Simon, Sohn des Johannes, hast
du mich lieb?“ So fragt Jesus Simon Petrus an einem anderen Ort und zu einer
anderen Zeit, nämlich dann, als es gilt, zum zweiten Mal voneinander Abschied
zu nehmen. Der auferweckte Christus am See zu Tiberias fragt Simon Petrus so,
dreimal tut er es, als wolle seine Liebesfrage an Petri dreimaligen Verrat wiederanknüpfen.
Ob wir uns aufeinander verlassen
können, ob da mehr als ein Strohfeuer schnellvergehender Begeisterung ist, ob
da etwas trägt und hält und wir bleibend anhänglich sind, ob wir Sichtkontakt
haben und uns umeinander kümmern – all das sind Fragen, die G“tt interessieren:
– „Wo bist du, Adam?“
– „Kain, wo ist dein Bruder Abel?“
– „Simon, hast du mich
lieb?“
Und vielleicht können wir an
diesen Fragen, die G“tt interessieren, unsere ach so klugen philosophischen
Fragen verlernen, auf die uns G“tt auch keine Antwort gibt, unsere naseweiß-menschlichen
Fragen, die da lauten: „Gibt es überhaupt einen G“tt?“ – „Woher komme ich, wohin
gehe ich?“
An G“ttes Fragen kommen wir zu
anderen Fragen:
„Bist Du mir noch gut?“
„Warum schläfst Du, mein G“tt?“
„Wo
ist Dein leuchtendes Antlitz?“
„Dürfen wir in Deinem Hause bleiben?“
Der auferweckte Christus jedenfalls
nimmt seine Liebesfragen mit in den Himmel, mitsamt unserer ganzen menschlichen
Fragwürdigkeit, dorthin zur Rechten G“ttes, des allmächtigen Vaters. Reichlich
Stoff für ein Gespräch, das nicht aufhört zwischen dem ewigen Vater und Christus.
Und Christi Beten für uns wird nicht aufhören, sein Fürsprechen
und Sich-Unterhalten, zu unseren Gunsten.
Zur Rechten G“ttes: also nah
und in Hörweite des Vaters und mit dem Recht, mitzureden und mitzuentscheiden.
Was kann Christus vorbringen?
Alles, denn er ist an unserer Statt.
Er hat, wie
unsere Alten sagten, unser Fleisch angezogen, unser Seelen- und Geistfleisch.
Er kennt uns durch und durch, denn er hat alles Menschliche angenommen und an
sich geschehen lassen: das Ausharren und den Verrat, den Spott und die Anteilnahme,
die lernfreudige Neugier und die tödliche Gleichgültigkeit, das aufrichtige
Bemühen und doch-nicht-mehr-Mitkönnen, den frommen und den bösartigen Zweifel,
Blindheit und augenblickliche Einsicht - und was der Gegensätze noch weit mehr
sind und ihrer Zwischentöne auch.
„Er sitzt zur Rechten G“ttes,
des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und
die Toten“, so heißt es in unserem apostolischen Glaubensbekenntnis, das wir
gleich sprechen werden.
Und noch einmal seien unsere
Alten bemüht. In der „confessio augustana“, also der wichtigsten Bekenntnisschrift
für uns protestantische Christinnen und Christen lesen wir zur Erklärung (Dritter
Artikel: Von dem Sohne Gottes):
„...aufgefahren gen Himmel, sitzend
zur Rechten Gottes, daß er ewig herrsche über alle Kreaturen und regiere, daß
er alle, so an ihn glauben, durch den heiligen Geist heilige, reinige, stärke
und tröste (Hervorhebung B.G.), ihnen auch Leben und allerlei Gaben und
Güter austeile und wider den Teufel und die Sünde schütze und beschirme; auch,
daß derselbe Herr Christus endlich wird öffentlich (Hervorhebung B.G.)
kommen, zu richten die Lebendigen und die Toten“
– soweit unsere Reformatoren.
Es wird also regiert: mit Trostgabe
und Stärkung, schon jetzt, auf daß wir alle gehalten werden und nicht abstürzen,
bei all unserer Schwäche. Auf daß wir Getrösteten und Gestärkten den anderen,
die da in Trübsal und Schwäche sind, aufhelfen mit dem Trost und der Stärke,
die uns gegeben werden.
Es wird also regiert: daß die
weltlichen Regierungen beschämt werden mit ihrer Satanslogik, auszusieben, fallen
zu lassen, wegzuwerfen.
Und endlich werden die himmlischen
Regierungsgespräche angehalten werden, und mitten aus dem fürsorglichen Gespräch
wird unser Herr kommen, um das Recht und die himmlische Regierung auf die Erde
zu bringen, endgültig.
Und dann wird unser Glauben aufhören
können, denn wir werden schauen – von Angesicht zu Angesicht.
Amen.
Und der Friede G“ttes, der höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre
unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Liturgie
des G"ttesdienstes