"Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem Herrn Jesus Christus." (Röm 1, 7)
Der Predigttext für den heutigen Passions-Sonntag
steht im 1.Kap. des
Buch Esther.
.
.Liebe
Gemeinde!
Wenn ich am vergangenen Dienstag unsere Konfirmanden
gefragt hätte, wo in der Bibel das Buch Esther zu finden
sei, so wären Ratlosigkeit und heftiges Blättern wohl
die Reaktion gewesen. Und selbst zünftige christliche
Theologen und Theologinnen (mich selbst eingeschlossen)
geraten ins Stottern, sollen sie die Geschichte, die das
kleine Buch erzählt, rein aus dem Gedächtnis
wiedergeben.
Eine
Geschichte, die nicht wert befunden wurde, in unsere doch
so bunten Reihen vorgeschlagener Predigttexte aufgenommen
zu werden, ja schlimmer noch, eine Geschichte, die immer
wieder verdächtigt wurde, überhaupt nicht in die Bibel
zu gehören. Diese verdächtige und verdächtigte
Geschichte möchte ich Ihnen heute erzählen.
Wie wir hörten,
beginnt sie mit einem opulenten Fest, einer wahren Orgie:
maßlos in Zeit und Aufwand. Der persische König
Ahasveros inszeniert seine Thronbesteigung, um allen
Untertanen seine Macht und seinen Reichtum zu
demonstrieren. Schon sein Name ist Programm: kein
Eigenname, sondern ein Titel bedeutet Ahasveros soviel
wie "ehrwürdiger Vater". Über 127 Provinzen,
vom Indus bis zum Nil erstreckt, gebietet er. Nach 180
Tagen der Feier mit seinen Fürsten und Vasallen folgt
als quasi-demokratische Dreingabe ein 7tägiges Volksfest.
Jenseits der Bannmeile, auf dem Vorplatz des königlichen
Gartens wird die gesamte Bevölkerung der Königsstadt
Susa aufs Fürstlichste bewirtet: jeder darf trinken nach
Herzenslust, das beste Geschirr, ja goldene Becher werden
gereicht. Mit feiner Ironie heißt es in unserem Text:
"Als Trinkordnung galt, daß man jeden gewähren
lasse." So hat es weltliche Herrschaft stets schon
gehalten sie maskiert sich in der Anarchie des
Rausches.
Am 7.Tag,
das rauschende Fest treibt seinem Höhepunkt entgegen, läßt
der bereits stark angetrunkene Perserkönig durch 7 Kämmerer,
allesamt Eunuchen, seine Gemahlin, die Königin Vashti
rufen. Alle seine Schätze hat er ja präsentiert, es
fehlt nur noch des Königs kostbarstes Schmuckstück,
seine schöne Frau Vashti. Wie ein Schlußstein soll sie
sich in des Königs Prachtbau einfügen, soll, angetan
mit dem königlichen Diadem und nur mit
diesem, also nackt vor den Potentaten erscheinen.
In den begehrlichen Blicken der anderen Männer will
Ahasveros seine eigene Macht spiegeln: nicht euch, mir
gehört das Schönste wie die Ordnung des Bettes,
so die Ordnung auch in allen anderen Machtfragen.
Und nun
geschieht das Unfaßbare: Vashti kommt nicht, sie
verweigert sich. Ein Motiv, einen Grund sagt uns der
Bibeltext nicht, der pure Akt der Verweigerung allein
schon ist der Skandal.
Liebe
Gemeinde,
wenn je das Wort von der Palastrevolution zutraf, dann
hier. Vashtis schlichtes einfaches Nein setzt einen
ganzen Staatsapparat in Gang. Panische Angst spricht aus
der Reaktion der aufgeschreckten Männerwelt. Man wittert
den Präzedenzfall: "Wehret den Anfängen!".
Heute war es die Königin, morgen schon werden sich die
Provinzfürstinnen widerspenstig gegen ihre Männer
verhalten, und übermorgen dann werden alle Frauen
ihren Männern den Gehorsam verweigern. So wird nicht nur
die Geschlechterordnung in Anarchie enden, nein, das
ganze Staatsgebäude wird wie ein Kartenhaus in sich
zusammenstürzen.
Also raten
die Fürsten ihrem hilflosen König zu einem Gesetz, zu
verbreiten in allen Provinzen: die Königin Vashti ist
abzusetzen und durch eine bessere, d.h. gehorsamere Frau
zu ersetzen. Und so gelte es in jedem Volk, für jeden
Stand, für jedes Haus: daß der Mann Herr sein solle.
Unser Text
hüllt sich in Schweigen darüber, welches Schicksal der
entmachteten und entrechteten Vashti zuteil wird.
Allerdings erfahren wir aus der jüdischen Auslegung des
Estherbuches, daß Vashti hingerichtet wurde. Denn jüdische
Auslegungsphantasie arbeitet zumeist präziser als die
christlicher Theologie, wenn es darum geht, hinter dem
Schweigen biblischer Texte das Grauen zu ahnen.
Nun aber
zurück zu unserer Geschichte. Nach einer gewissen Zeit
des Zornes trauert der König denn doch Vashti nach.
Gegen seine aufkommende Depression raten seine Höflinge:
Ersatz muß her! Eine neue Frau! Wie man das macht? Ganz
einfach: aus allen Reichsprovinzen werden die schönsten
Jungfrauen am Hofe versammelt, 12 Monate mit Spezereien
und Leckereien gepflegt und verwöhnt, um hernach dem König
zum nächtlichen Probieren zugeführt zu werden.
Frauenhaus, d.h. Harem, oder der Königinnenthron, vor
diese unfreiwillige Alternative sieht sich auch Esther,
die zweite Heldin unserer Geschichte, gestellt. Wer ist
Esther? Ein junges, bildschönes jüdisches Mädchen,
aufgewachsen in persischer Gefangenschaft unter der Obhut
ihres Pflegevaters und Onkels Mordechai, der einst aus
dem gefallenen Jerusalem weg ins babylonische Exil
verschleppt wurde. Bald findet der König Gefallen an
Esther, er macht sie zu seiner Frau und Königin; ihre jüdische
Herkunft aber verschweigt Esther sowohl ihm als auch
allen anderen. Mordechai, in ständiger Sorge um seine
Pflegetochter, hält sich auch nach ihrer Heirat stets in
Palastnähe auf. Und so belauscht er eines Tages
ganz zufällig- wie zwei intrigante Hofbeamte ein
Mordkomplott gegen Ahasveros beschließen. Mordechai
informiert Esther, diese den König, und die loyale Tat
Mordechais wird in den königlichen Annalen festgehalten.
Nun
beginnt die Karriere eines Mannes namens Haman. Vom König
persönlich anstelle der beiden Verschwörer eingesetzt,
steigt er von einer mittelmäßigen Position zum höchsten
Amt und zu höchsten Würden im Staate auf. Dem ersten
unter allen Fürsten ist mit Kniefall zu huldigen
so will es ein königliches Dekret. Deutlich zeichnet das
Buch Esther die Charakterzüge Hamans: eitel, selbstgefällig
und leicht reizbar ist er, maßlos-unberechenbar sein Jähzorn.
Und noch etwas steckt ihm im Blut: der Killerinstinkt des
Amalekiters. Von allen biblischen Völker, die Israel
feindlich gesonnen sind, ist das Volk Amaleks das
schlimmste. Völlig grundlos überfiel es die erschöpfte
Nachhut Frauen, Kinder und Greise als Israel
aus Ägypten auszog. Und noch heute sagt man in Israel
nach einem besonders grausamen Terroranschlag: Denk an
Amalek! Einer aus dem Geschlechte der Amalekiter also ist
Haman. Und so nimmt das Verhängnis seinen Lauf:
Mordechai, der fromme Jude, beugt sein Knie nicht vor
Haman wie überhaupt vor keinem Menschen. Und diese Kränkung
weckt in Haman den alten, tiefsitzenden und tödlichen Haß.
Nicht allein Mordechai, das ganze jüdische Volk, vom
Kind bis zum Greis, soll für die erlittene Schmähung büßen.
Haman geht
zum König und spricht: "Ein Fremdkörper und
Volksschädling wohnt unter uns, ein Volk, das sich in
allem von uns unterscheidet, das unsere Gesetze nicht
respektiert und nach eigenen Gesetzen lebt. Du darfst es
nicht länger dulden; siehe, einen Plan zu seiner
Ausrottung habe ich schon ausgearbeitet.".
Eine Mörderhand
wäscht die andere. Für sein Versprechen, der königlichen
Schatzkammer reichlich aus geraubtem jüdischen Besitz
zuzuführen, erhält Haman den königlichen Siegelring.
Und so von ganz oben autorisiert gelangen die Befehle zur
Ausrottung Israels in alle Landesteile des Reiches. Auch
das Datum, per Los ermittelt, steht bereits fest: es wird
der 13.Tag des letzten Monats des Jahres sein. Überall,
wohin die Nachricht von der drohenden Vernichtung
gelangt, löst sie Trauer, Verzweiflung und Entsetzen
unter der jüdischen Bevölkerung aus. Auch Mordechai
wehklagt, zerreißt seine Kleider, legt stattdessen
Trauergewänder an. Aber eine Hoffnung hegt er: Esther,
die jüdische Königin, wird gewiß ihren Einfluß auf
den König geltend machen und das Schicksal wenden. Doch
Esther zögert: schon 30 Tage habe der König sie nicht
mehr zu sich gerufen, vielleicht sei sie in Ungnade
gefallen und: wer ungerufen seinem Herrscher nahe,
der sei nach dem Gesetz des Todes.
Vielleicht
haben die Älteren unter Ihnen noch den guten Rat von den
Eltern oder Großeltern gehört, der früher wohl
noch galt: gehe nicht ungefragt
zu Deinem Fürsten denn die Macht entscheidet darüber,
wer sich wann nähern oder nicht nähern darf, wer wann
zu erscheinen oder nicht zu erscheinen hat. Eigenmächtige
Annäherung dagegen kann tödlich sein, eigenmächtiges
Fernbleiben allerdings auch: das war die Lektion, die
Vashti erteilt wurde.
Mordechai
läßt nicht locker, sondern richtet Esther aus: "Glaube
doch bloß nicht, daß du allein der Vernichtung entgehen
wirst, jetzt da du aufgestiegen bist bei Hofe!" Aber
das ist es nicht, was Esther ihre Angst und ihr Zögern
überwinden hilft. Den Mut zum Handeln geben ihr vielmehr
die folgenden Worte: "Wenn du uns nicht hilfst, dann
wird uns Rettung von einem anderen Ort her erstehen."
Und: "Wer weiß denn, ob du nicht genau deswegen Königin
geworden bist, um unser Volk, deines wie meines, zu
retten?"
Rettung
von einem anderen Ort her: in der hebräischen Sprache
wird noch deutlicher, daß sich hinter dieser Wendung G"tt
und der G"ttesname selbst verbergen, doch eben in
cognito, gleichsam maskiert. Denn nicht direkt und ausdrücklich
handelt G"tt in unserer Geschichte des Estherbuches,
gleichwohl ist Er verborgen gegenwärtig. Sei es in der
Maske von Vashtis rebellischem Nein, sei es in der Maske
von Esthers klugem Mut.
Nach einem
dreitägigen Fasten legt Esther ihr königliches Gewand
an und tritt ungefragt und ungerufen vor den König. Bang
sieht sie auf sein Szepter: wenn er es ihr
entgegenstreckt, so ist sie gerettet. Das Wunderbare
geschieht; der König hört Esther an, verspricht sogar,
ihr jede Bitte zu gewähren. Sich höflich verneigend, lädt
Esther ihren König und Haman zum festlichen Abendessen
ein. Haman sonnt sich in der scheinbaren Gunst der Königin
und eilt nach einem äußerst erfolgreichen Abend nach
Hause. Den Pogrom will er gar nicht mehr abwarten,
Mordechai wenigstens soll schon am anderen Morgen hängen.
So läßt er noch in der Nacht einen Galgen errichten,
nicht ahnend, daß die Schlinge um seinen Hals sich
bereits zuzuziehen beginnt. Denn, welch merkwürdige Fügung,
der König findet in dieser Nacht keinen Schlaf. Die königlichen
Chroniken werden gebracht, und als Ahasveros darin blättert,
stößt er wie zufällig auf den Eintrag, der Mordechais
treue Hilfe beim einstmaligen Mordkomplott festgehalten
hat. Doch ein Dank wurde Mordechai nicht zuteil, so sagen
es die Höflinge dem König. Des Morgens tritt Haman vor,
um Mordechais Auslieferung zu erbitten. Aber die königliche
Frage kommt Hamans Bitte zuvor: "Was soll man einem
Manne tun, den der König zu ehren wünscht?" Haman,
der eitle Pfau, antwortet ganz im Vorgefühl baldigen
Triumphes: "Man soll ihm ein Gewand und ein prächtig
geschmücktes Roß des Königs geben und ihn vor aller
Welt öffentlich ehren." " Gut, so tue all das
dem Mordechai", befiehlt der König. Haman
erbleicht, doch er gehorcht. Voll Bangigkeit schleicht er
des Abends zum zweiten Gastmahl, zu dem Esther den König
und ihn erneut eingeladen hat. Es wird seine
Henkersmahlzeit sein. Wieder fragt der König Esther:
"Was ist deine Bitte, sie sei dir gewährt."
Und diesmal bittet Esther, denn sie spürt: Jetzt genau
ist der rechte Augenblick dafür zu bitten: "Um mein
Leben und das meines Volkes bitte ich dich, denn der
da" und sie weist auf Haman "der
da hat beschlossen, daß wir vernichtet, getötet und
ausgerottet werden." Der König eilt in den
Palastgarten, Sammlung tut not. Haman aber fällt vor
Esther nieder und bedrängt sie mit seinem Flehen. Aber
gerade das wird ihm vollends zum Verhängnis. Denn als
der König ihn so vorfindet, schreit er wütend: "Wie,
du wagst es, dich in meinem eigenen Hause an meiner Königin
zu vergreifen? Heute noch wirst du sterben!" Gleich
ist ein Höfling zur Stelle, der rät: "Im Hof steht
doch schon ein Galgen, den Haman für Mordechai, den
Wohltäter des Königs, errichten ließ." Und
sogleich hängte man Haman an den Galgen, der Mordechai
zugedacht war.
Ende gut,
alles gut? Nicht so ganz: denn die Mordmaschinerie hat
sich bereits in Gang gesetzt, die königlich gesiegelten
Vernichtungsbefehle sind nicht mehr rückholbar in alle
Landesteile hinein unterwegs. "Was ich geschrieben
habe, das habe ich geschrieben", sagt später einmal
ein anderer Mörder. Und so können Mordechai und Esther
nur die königliche Erlaubnis erwirken, daß alle Juden
sich zur bewaffneten Gegenwehr zusammenschließen dürfen,
wo immer sie angegriffen werden. Und wenigstens hier in
unserer wundersam-märchenhaften Geschichte geschieht das
sonst so Außergewöhnliche: die Opfer wehren sich nicht
nur, sie überwältigen sogar ihre Peiniger.
Liebe Gemeinde,
in einigen Tagen feiern Juden und Jüdinnen in aller Welt
das jüdische Neujahrsfest. Und wie zu jedem hohen
Festtag so auch zu diesem wird der Segensspruch gesagt
werden: "Gesegnet seist du, Ewiger, unser G"tt, König
der Welt, der uns am Leben und aufrecht erhalten und
diese Zeit hat erreichen lassen!"
Freuen wir
uns, daß das Volk unseres Herrn lebt und erinnern wir
uns der beiden mutigen Frauen, ohne die Israel nicht überlebt
hätte: der rebellischen Perserin Vashti und der klugen Jüdin
Esther. Esther: die Maske G"ttes.
Kanzelsegen:
"Der Friede Gottes, der höher ist als alle
Vernunft, bewahre eure Herzen und
Sinne in Christus Jesus."
(Phil 4,7).
14.Sonntag
nach Trinitatis (1999)
anläßlich von Purim am 7.3.2004,
zugleich zweiter Sonntag der Passionszeit, So „Reminiscere“
Ergänzung am Ende der Predigt
Liebe Gemeinde,
heute am 7. März fällt dieses Fest
„Purim“ zusammen mit dem zweiten Sonntag der Passionszeit. Passionszeit: das
war viele Jahrhunderte hindurch Pogromzeit. Und wer weiß: ob der bald, nämlich
am 18. März auch in Deutschland anlaufende Film „Die Passion Christi“, dieser
brutal-dumme, US-amerikanische Film Mel Gibsons nicht wieder an jene mörderische
Tradition anknüpft? Daß das fundamentalistische Amerika begeistert die Kinokassen
stürmt, Abertausende ihre Ergriffenheit und ihre Weinkrämpfe schon für ein
Glaubenszeugnis halten, läßt jedenfalls Schlimmes ahnen.
Aber wir müssen gar nicht in die Ferne
nach Amerika schweifen, wir müssen nur auf das vorhin gehörte
Gleichnis von
den Weingärtnern (Mk 12, 1-12) hören. Denn in all unseren christlichen Jahrhunderten
wurde es so verstanden: die bösen und untreuen Weingärtner, das sei das alte
Israel, welches G-tt verstoßen habe. Und an seine Stelle habe G-tt das Neue
Israel, also uns, die Kirche gesetzt – wir, die guten Gärtner des g-ttlichen
Weinbergs.
Lassen wir diese tödlichen Auslegungen
endlich hinter uns, fangen wir besser und anders an, Jesus zu verstehen. Verstehen
wir ihn mithilfe der Esthergeschichte. denn wie Esther sich nicht für sich
bewahrt, sondern sich für ihr Volk einsetzt, so auch Jesus. Auch er schont
die eigene Haut wahrlich nicht, sondern überliefert sich in die Hände der
römischen Macht – auf daß sein Volk gerettet werde und endlich, endlich alle
Welt den Vater im Himmel, den G-tt Israels anbete.
Zu jedem hohen Festtag so auch zu Purim
sagt man den Segensspruch: „Gesegnet seist du, Ewiger, unser G-tt, König der
Welt, der uns am Leben und aufrecht erhalten und diese Zeit hat erreichen
lassen!“
Freuen wir uns, daß das Volk unseres
Herrn lebt und erinnern wir uns der beiden mutigen Frauen, ohne die Israel
nicht überlebt hätte: der rebellischen Perserin Vashti und der klugen Jüdin
Esther. Esther: die Maske G-ttes.
Kanzelsegen: „Der Friede Gottes, der
höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und
Sinne in Christus Jesus.“
(Phil 4,7).
Liturgie zum G''ttesdienst
Buch
Esther, Kap.1
[ Buber-Rosenzweig-Übersetzung ]
1 1 Es war in den Tagen des
Achaschwerosch - das ist der Achaschwerosch, der von
Indien bis Äthiopien König war, über
hundertsiebenundzwanzig Gaue - ,
2 in jenen Tagen, da der König Achaschwerosch auf
dem Thron seines Königreichs, dem in der Pfalz
Schuschan, saß,
3 im dritten Jahr seiner Königschaft machte er ein
Trinkgelage allen seinen Obern und Dienern, der
Heerwache Persiens und Mediens, den Vornehmen und den
Obern der Gaue vor ihm,
4 wobei er ihnen den Reichtum seiner Königsherrlichkeit
und das Aufgebot seiner Pracht und seiner Größe zu
sehen gab, viele Tage lang, hundertundachtzig Tage.
5 Als nun voll waren diese Tage, machte der König
allem Volk, die sich in der Pfalz Schuschan fanden,
von Groß bis Klein, ein Trinkgelage, sieben Tage
lang, im Hof des königlichen Palastgartens:
6 Linnen, Feingewebe und Hyazinth, mit Byssus- und
Purpurschnüren an silbernen Reifen und Marmorsäulen
befestigt, goldene und silberne Ruhebetten auf einem
Plattenboden von Alabaster und Marmor und Perlmutter
und Schildstein.
7 Geletzt wurde aus goldnen Gefäßen, mannigfach Gefäß
um Gefäß, und königlichen Weins die Fülle, nach
des Königs Vermögen,
8 und das Trinken nach Fug: Keiner nötigt! denn so
hatte es der König allen Vorstehern seines Hauses
anbefohlen, es für Mann und Mann nach Belieben zu
machen.
9 Auch Waschti, die Königin, machte ein Gelage für
die Frauen im Königshaus, das des Königs
Achaschwerosch war.
10 Am siebenten Tag, als vom Wein das Herz des Königs
guter Dinge war, sprach er zu Mehuman, Bista,
Charbona, Binta, Abagta, Setar und Charkas, den
sieben Kämmerlingen, die das Antlitz des Königs
Achaschwerosch bedienten,
11 sie sollten Waschti, die Königin, in der königlichen
Bekrönung vors Antlitz des Königs kommen lassen,
um den Völkern und den Obern ihre Schönheit zu
sehen zu geben, denn sie war gut anzusehn.
12 Aber die Königin Waschti weigerte sich, aufs
Geheiß des Königs durch die Kämmerlinge zu kommen.
Der König ergrollte sehr, und sein Grimm brannte in
ihm.
13 Der König sprach zu den Weisen, den
Zeitenkundigen - denn so pflegte alle Sache des Königs
vors Antlitz aller Kenner von Fug und Recht zu
gelangen - ,
14 den ihm Nächsten, Karsehna, Schetar, Admata,
Tarschisch, Meres, Marssna, Memuchan, sieben Obre
Persiens und Mediens, die das Antlitz des Königs
sehn durften, die zuvorderst im Königtum saßen:
15 »Nach Fug, was ist mit der Königin Waschti zu
tun, da sie nicht nach dem Spruch des Königs durch
die Kämmerlinge getan hat?«
16 Memuchan sprach vorm Antlitz des Königs und der
Obern: »Nicht wider den König allein hat Waschti
die Königin gefehlt, sondern wider alle Obern und
wider alle Völker, die in allen Gauen des Königs
Achaschwerosch sind,
17 denn das Begebnis mit der Königin wird zu allen
Frauen hinausziehn, ihre Gatten in ihren Augen verächtlich
zu machen, indem sie sprechen: »Der König
Achaschwerosch hat gesprochen, Waschti die Königin
vor sein Antlitz kommen zu lassen, und sie ist nicht
gekommen!«
18 Und dieses Tags schon werdens die Obernfrauen
Persiens und Mediens sprechen, sie die von dem
Begebnis mit der Königin gehört haben, zu allen
Obern des Königs, und dann gibts der Verachtung und
des Grolls zur Genüge!
19 Scheints dem König gut, gehe eine Königtumsrede
von seinem Antlitz aus und werde eingeschrieben in
den Verfügungen Persiens und Mediens, unverbrüchlich,
daß Waschti nicht mehr vor das Antlitz des Königs
Achaschwerosch kommen dürfe und ihre königliche Würde
der König einer anderen gebe, die besser als sie ist.
20 Wird dann der Bescheid des Königs gehört, den er
in all seinem Königreich erläßt, so groß es ist,
dann werden alle Frauen ihren Gatten Ehrerbietung
erweisen, von Groß bis Klein.«
21 Gut erschien in den Augen des Königs und der
Obern die Rede, und der König tat der Rede Memuchans
gemäß.
22 Er sandte Briefe in alle Gaue des Königs, in Gau
um Gau nach dessen Schrift und an Volk um Volk nach
dessen Sprache, jeder Mann solle zuoberst in seinem
Haus sein und in seiner Volkssprache Rede führen.
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