..
Predigten Liturgie theologische Texte Links

Predigt zum Erntedankfest

 

 

Brigitte Gensch

 

 

 

Liturgie des G''ttesdienstes

am 03.10.2004 in der Jubilate-Kirche Lindlar


 

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der

da war und der da kommt!

 

Der Predigttext für den heutigen Erntedanksonntag steht im 2. Korintherbrief des Paulus,      
Kap. 9, VV.6-15

Das Lied, liebe Gemeinde,

kennen Sie gewiß. „Rheinlegendchen“ heißt es und findet sich in der Sammlung „ Des Kna­ben Wunderhorn“. Sein Text lautet so:

 

Bald gras' ich am Neckar,
Bald gras' ich am Rhein,
Bald hab ich ein Schätzel,
Bald bin ich allein.

 

Was hilft mir das Grasen
Wenn die Sichel nicht schneid't,
Was hilft mir das Schätzel,
Wenn's bei mir nicht bleibt.

 

Und soll ich denn grasen
Am Neckar, am Rhein,
So werf' ich mein schönes
Goldringlein hinein.

 

Es fließet im Neckar,
Es fließet im Rhein,
Soll schwimmen hinunter
Ins tiefe Meer 'nein.

Und schwimmt es, das Ringlein
So frißt es ein Fisch,
Das Fischlein soll kommen
Auf's Königs sein Tisch.

 

Der König tät fragen
Wem's Ringlein soll sein?
Da tät mein Schatz sagen:
Das Ringlein g'hört mein.

 

Mein Schätzel tät springen
Bergaus und bergein,
Tät wied'rum mir bringen
Das Goldringlein fein.

 

Kannst grasen am Neckar,
Kannst grasen am Rhein,
Wirf du mir nur immer
Dein Ringlein hinein.

 

Man gibt also etwas verloren, um etwas Schönes zu bekommen, ein Ringlein z.B. und den geliebten Menschen dazu. Ein Goldring, seinem Rund alle Ehre machend, geht auf Reisen und kehrt auf wundersame Weise zum Anfang zurück: eine Verkettung von schönen Zufäl­len, die Liebe und die Sehnsucht wirken das – und wer sonst noch am Werke ist, das oder besser den allerdings verschweigt uns das Lied.

 

Das Lied hat so seine Lehre, nämlich die:

Nur wer etwas verloren geben kann, bekommt auch etwas zurück; nur wer wirklich gibt, ohne darauf zu schielen, was gleich oder auch später sich wieder bei ihm einstellen wird, dem wird gegeben, der wird beschenkt.

Ganz verwandt sagt es Paulus uns für den heutigen Tag:

„Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten, wer aber auf Segen hin sät, wird auch im Segen ernten.“

Aller Geiz bringt immer nur Geiz hervor: wer schmallippig und geizverschlossen auf seinen Gütern hockt, bekommt, was er gibt: nämlich nichts.

 

Und wer reichlich gibt, erhält reichlich? Nein, das genau sagt Paulus nicht. Einem solchen Automatismus redet Paulus eben nicht das Wort. Wie sollte das auch gehen? Wir wären dann ja Marionettenspieler und hätten die Fäden der Wirklichkeit in unseren Händen, sie uns nach unserem Willen zurechtzuziehen.

 

Paulus hat eine andere Weise zu geben im Blick. Zu geben, ohne zu verrechnen, was wir für das Gegebene zurückerhalten ; zu geben und loszulassen, also die Kontrolle aus den Hän­den zu geben, was mit unserer Gabe wird; zu geben und zu vertrauen, daß unsere Gabe zum Segen gereiche.

 

So säen wir, wie Paulus sagt, auf Segen hin. Wir lassen unsere Gabe aus den Händen und überlassen sie einem Anderen, wir vertrauen sie G“tt an.

Wir trauen darauf, daß Er die losen Fäden der Wirklichkeit liebevoll verknotet und manches­mal auch wieder entwirrt, daß Er die Dinge und Handlungen verkettet, die uns oft nur zufällig erscheinen, daß Er zurückbringt, was wir verloren geben – denn G“tt ist es ja, Der alles gibt und überreich segnet.

 

 

Liebe Gemeinde,

ich bin gewiß, Sie alle kennen eine solche Art des Gebens, sei es z.B. eine Spende für einen guten Zweck, vielleicht auch der Zweck unserer Kollekten, sei es ein Geschenk im privaten Kreis. Und wir, die wir so geben, sind von Grund auf erfreut und fröhlich, weil wir die Gabe letztlich G“tt anvertrauen, Der sie zum Guten gebrauchen wird. Und wir sind derart fröhlich, weil wir, die wir geben, selbst Beschenkte sind. Beschenkt nicht nur mit materiellen Gütern, sondern auch mit Fähigkeiten, Begabungen, kurz mit alldem, mit dem uns G“tt schon im Mutterleib gebildet hat. Beschenkt von G“tt, geben wir weiter, was wir empfangen haben. Und G“tt läßt den Segen unseres Tuns auf uns zurückkehren.

So schließt sich ein Kreislauf, der in G“tt entspringt.

 

Wir modernen Menschen, noch dazu, wenn wir  - wie z.B. ich - in der Stadt wohnen, sind ja der Kreisläufte entwöhnt. Wir sind nicht mehr wie früher dem Wechsel und Kreisgang der Jahreszeiten unterworfen; kleine Fluchten lassen uns im Winter in wärmere Gefielde ent­kommen; ein globalisierter Handel stellt uns das ganze Jahr über Obst und Gemüse je nach Lust und Laune zur Verfügung, sofern wir über den entsprechenden Geldbeutel verfügen. Unser ganzes Wirtschaften, national wie international, gehorcht nicht mehr dem Gesetz der natürlichen Kreisläufe, es folgt dem Zwang zur unendlichen Steigerung.

Und aus dem Bereich der Ökonomie ist das Gesetz des Wachstums auf nahezu alle anderen Daseinbereiche übergegangen, als gäbe es da gar keine Alternative.

 

So wirkt es auch einigermaßen ungleichzeitig und merkwürdig veraltet, wenn wir zu Ernte­dank der natürlichen Kreisläufe gedenken, wenn wir in der aufgegangenen und geernteten Saat bereits den Anfang eines neuen Säens sehen und auf den Wechsel setzen, daß das zur Neige gehende Alte im Neuen wieder aufgeht. Nun spricht ja nichts dagegen, auch einmal veraltet zu denken, im Gegenteil, einer hochnäsigen Gegenwart, die glaubt, im Recht zu sein, nur weil sie gerade da ist, könnte es guttun, sich von alters her etwas sagen zu lassen.

Es ist jedoch etwas anderes, was uns abhält, aus dem bloßen Kreisen der Natur auf G“ttes gnädiges Walten und Wirken schließen zu wollen.

 

Wohl unterhält G“tt einen Kreislauf, aber es ist der Kreislauf des Segens, wohl läßt er Früchte hervorkommen, aber es sind die Früchte der Gerechtigkeit. Und ohne sie hat es mit den Früchten der Natur und ihrem immerwährend-verläßlichen Kreisen nichts auf sich.

 

G“tt schafft sogar eine Gesellschaft des Überflusses, aber es ist keine der überquellenden materiellen Güter. Wohl sollen alle satt werden und – wie Paulus sagt – zu Genüge haben, überreich aber wird eine solche Gesellschaft sein, weil die, die geben, sich vom Grund ihrer Seele her freuen. Weil die, die empfangen, G“tt Dank sagen und G“tt sich an ihrem Dank freut. Und weil G“tt den Dank der Armen als Segen zurückbringt über die, welche besitzen.

Besitz, Wohlstand: Gaben G“ttes sind sie; die, die besitzen, also wir alle hier, sollten das nie vergessen. Und auch das haben wir zu hören: Besitz, der festgehalten und nur um seiner selbst willen vermehrt wird, ist in G“ttes Augen kein Gut. Wenn aber das, was wir, die wir mehr haben, schon unterwegs ist zu denen, die weniger, zu wenig haben, dann wird „der Herr, dein G“tt, dich bei aller Arbeit deiner Hände segne (n), die du tust“ – so haben wir es vorhin in der ersten Lesung aus dem 5. Buch Mose gehört. So sind die, die haben, die mehr haben, angewiesen auf die Ärmeren und Armen. Denn von diesen her empfangen sie durch G“tt den Segen.

Sehen Sie, liebe Gemeinde, weshalb Jesus die Armen seligpreisen kann?

Sie sind selig, weil von ihnen her der Segen kommt.

 

Ganz offensichtlich leben wir in einer Überflußgesellschaft. Aber in einer solchen, in der so genau das Gegenteil von dem herrscht, was Paulus und mit ihm die ganze biblische Tradi­tion unter der Gerechtigkeit G“ttes verstehen.

Nicht vom Besitzenden zum Besitzlosen, nicht vom Reichen zum Armen fließen die Güter, vielmehr seit vielen Jahren herrscht eine Umverteilung von unten nach oben. In den USA z.B. besitzt eine kleine superreiche Schicht weit mehr als breite Unterschichten zusammen, in Europa und auch in unserem Land geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Und nicht erst seit Jahren, sondern schon seit Jahrzehnten verschlechtern sich die sog. „terms of trade“, die Handelsbedingungen zwischen der Ersten und der Dritten und Vierten Welt, so daß die armen Länder immer ärmer werden. Ihre Schulden sind so erdrückend, daß allein die zurückzuzahlenden Zinsen der Schulden das bißchen dessen, das sie erwirtschaften können, wieder auffressen. Schuldenerlasse, wie der gerade wieder beschlossene des Internationalen Währungsfonds, sind völlig ungenügend – zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel, auf dieser inhumanen Grenze hat sich das Wirtschaftsgebaren der reichen gegenüber den armen Ländern eingependelt.

Wie unüberbrückbar weit entfernt ist das Wirtschaftssystem unserer reichen Industrienatio­nen von dem, was Paulus jubeln läßt:

„Er hat ausgestreut, er hat den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit“ (Ps 112, 9).

So aber: unser Wirtschaften, das Reichtum anhäuft und Armut ausbreitet und dem wir so alternativlos glauben folgen zu müssen, es mag ja ertragreich und erfolgreich sein, G“ttes Segen jedoch ruht nicht auf ihm.

Frisch duften die Zweige, die auf dem Lamellendach ruhen, und gut riecht das Holz der Wände. Ich sitze in einer Hütte, einer Sukka – wie es hebr. heißt – denn es ist Sukkoth, das jüdische Laubhüttenfest, und ich bin eine der nichtjüdischen Gäste, die sich zum Mitfeiern dort im Innenhof der Kölner Synagoge versammelt haben. Die Hütte ist festlich geschmückt, viele Kinder haben mitgetan, sie zu verschönern: mit bunten Papierstreifen und Girlanden, Segensworten und Glückwünschen – aufgemalt und aufgeklebt.

 

Zwischen den Zweigen befestigt oder vom Dach herabhängend, ist die Hütte auch durch allerlei Obst und Gemüse bereichert: Bananen, Weintrauben, Orangen und Paprika sehe ich. Direkt vor meiner Nase baumelt eine tiefrote Paprika. Die Früchte versinnbildlichen, daß das Laubhüttenfest auch ein Erntedankfest ist, an welchem Israel G“tt für eine segensreiche Ernte dankt.

Aber das ist nicht der hauptsächliche Grund dieses Festes, das seinen Namen ja auch der Hütte, der Laubhütte verdankt. Gerade für die Zeit, in der eine gute Ernte in Besitzstolz und Selbstüberhebung ausschlagen könnte, gerade dahinein gebietet G“tt Seinem Volk:

 

„Zieh für sieben Tage aus Deinem sicheren Hause aus, vertausche Dein bequemes und si­cheres Zuhause mit einer provisorischen Behausung, die dem Wind und den Launen des Wetters preisgegeben ist.

Iß und schlafe in einer Hütte, mit dünnen Wänden, gerade dick genug, um dich vor dem Gröbsten zu schützen, aber nicht dick genug, den anderen, die anderen auszusperren, nicht kompakt genug, um gegen das Los deines Nächsten unempfindlich zu sein. Lade Dir Gäste ein, bewirte sie, vor allem die, noch weniger als eine Hütte ihr eigen nennen. Erinnere dich, wenn du des Nachts durch die Zweige des Daches zum sternbesäten Himmel hinaufblickst, daß Ich es war, Der dich trug und durch die Wüste führte  - daß du vom Himmel trankst und aßest und Ich allein dich nährte. Erinnere dich und geh wieder zurück in die Zeit, da du so arm und doch so reich warst. Denn du hattest nichts, nur Mich.

Nimm diese Erfahrung in deinen Alltag hinein und unterbrich deinen Wohlstand, alle Jahre wieder zur Zeit der Ernte, für sieben volle Tage und Nächte. Sei fröhlich alle Tage dieses Festes, freue dich vor Mir zusammen mit allen anderen, die weniger als du haben und auf deine Stärke angewiesen sind.

Erfreue Mich und gib´ ihnen von Meinen Gaben, auf daß Ich dein Tun segne.“

 

Und wir Christinnen und Christen?

Auch wir sind zu einem Fest der Freude geladen, auch wir unterbrechen unseren Alltag und feiern Gemeinschaft – jenseits der Unterschiede und Ungleichheiten, die uns voneinander scheiden können: die Schwachen von den Starken, die Armen und Ärmeren von den Rei­chen und Begüterten. Wir tun das mit jedem Abendmahl, denn wir vollziehen im gemeinsa­men Mahl G“ttes Gerechtigkeit der Güterteilung. Jeder und jede erhält die gleichen Güter, das Brot und den Wein, und jede und jeder empfängt gleich viel. Ein Segen ist das.

Ein Segen, mit dem uns G“tt segnet – ein Segen, Den Er uns aus Seinem Volk Israel bringt. Wir nennen ihn Jesus Christus, unseren Herrn.

Amen.


2 Kor 9, 6-15 

6   Dies aber [bedenket]: Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten; und wer in Segensfülle sät, wird auch in Segensfülle ernten,

7  Jeder [gebe], wie er es sich im Herzen vorgenommen hat, nicht aus Missmut heraus oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.

8  Gott aber vermag jede Gnade im Ueberfluss über euch zu bringen, damit ihr in allem allezeit alles Genüge habt und zu jedem guten Werk überreich seid,

9  wie geschrieben steht:

"Er hat ausgestreut, er hat den Armen gegeben;

seine Gerechtigkeit bleibt

in Ewigkeit."

10  Der aber Samen dem Säemann und Brot zur Speise darreicht, der wird euren Samen darreichen und mehren und die Früchte eurer Gerechtigkeit wach-sen lassen,

 

11  indem ihr in allem reich werdet zu aller Lauterkeit [im Geben], die durch uns Dank gegen Gott be-wirkt.

12  Denn die Besorgung dieser Dienstleistung füllt nicht nur den Man-gel der Heiligen aus, sondern sie schafft auch Ueberfluss für Gott durch viele Danksagungen,

13  indem sie über der Bewährung dieses Dienstes Gott preisen für den Gehorsam eures Bekenntnisses zum Evangelium von Christus und für die Lauterkeit der Teilnahme gegen sie und gegen alle,

14  wobei auch sie im Gebet für euch sich nach euch sehnen wegen der überreichen Gnade Gottes gegen euch.

15  Dank sei Gott für seine unaussprechliche Gabe!

 

Liturgie des G''ttesdienstes

Predigten- Liturgie- theologische Texte- Links

 


top


Besucher seit dem
04.10.04