Dr. Roland Kaufhold - Bücher, Rezensionen, Texte  & Links 

 

Roland Kaufhold (Hg.)

Ernst Federn

Versuche zur Psychologie des Terrors

Material zu Leben und Werk von Ernst Federn

Psychosozial-Verlag 20002

 

 

Kurzrezensionen von

Bernd Nitzschke

Harald Freiling

Marianne Kröger

Bulletin Trimestriel de la Fondation Auschwitz, No. 69

(...) In den KZs wurde aus solchem Terror ein ausgefeiltes System, ein Netz, in dem sich die Opfer unheilvoll mit den Tätern verfingen. Ernst Federn, der 1938 in Wien als Trotzkist verhaftet worden war, beschreibt die Psychologie des Terrors und der Terroropfer aus eigener Erfahrung. Er hat sie nach seiner Freilassung aus dem KZ Buchenwald in einem Bericht niedergelegt: Selbst politische Häftlinge, die in Buchenwald "Lagerfunktion" übernommen hatten, wurden dort "wider ihren Willen zum Werkzeug der SS". In dem von Roland Kaufhold herausgegebenen Band findet sich im Anhang auch eine Dokumentation des Briefwechsels Federns mit Bruno Bettelheim, der bis 1939 in Buchenwald inhaftiert war und danach in die USA emigrieren konnte. Und so ist dieser Band nicht nur Lesern zu empfehlen, die grundlegend über Traumatisierungsfolgen bei politischen Gefangenen informiert werden wollen, sondern auch Lesern, die sich für die in die Zeitgeschichte verwobene Geschichte der Psychoanalyse interessieren.

Bernd Nitzschke

Veröffentlicht in: Trauma. Jahrbuch für Literatur und Psychoanalyse, Bd. 19, 2000, S. 226-228.

Website von Dr. Bernd Nitzschke

Roland Kaufhold, Diplompädagoge und Sonderschullehrer in Köln, ist es zu verdanken, dass Lebensgeschichte und Lebenswerk des Psychoanalytikers und Sozialtherapeuten Ernst Federn nicht in Vergessenheit geraten. Ernst Federn, 1914 in Wien geboren, war von 1938 bis 1945 Häftling in den Konzentrationslagern Buchenwald und Dachau. Seine Beobachtungen und Eindrücke, seine Gespräche mit dem Mit-Häftling Bruno Bettelheim veranlassten ihn zum "Versuch einer Psychologie des Terrors" (1945/1948). Die Konzentrationslager erscheinen in seiner eindrucksvollen, von eigenen Erfahrungen gesättigten Studie "als gespenstischer, psychotischer Mikrokosmos" und als ein Abbild des totalitären NS-Systems. Ernst Federn, der in diesem Jahr 85 Jahre alt wird, und seine Frau Hilde leben in Wien.

Harald Freiling
Hessische Lehrerzeitung (HLZ), Nr. 11-12/1999, S. 28

 

(Harald Freiling ist Redakteur der Hessischen Lehrerzeitung und arbeitet als Lehrer an einer Frankfurter Gesamtschule. Er ist Verfasser des Beitrages "Der Holocaust - ein Thema für Bilderbücher? Nachbetrachtungen zum deutsch-israelischen Lehrerseminar der GEW", in: psychosozial Nr. 83 (1/2001): Deutsch-israelische Begegnungen, S. 27-37.)

"Als Wilhelm Rösing 1992 seinen Dokumentarfilm "Überleben im Terror - Ernst Federns Geschichte" im Frankfurter Filmmuseum erstaufführte, wurde der Wiener Psychoanalytiker Ernst Federn hierzulande einem breiteren Publikum bekannt. Er berichtete darin als Zeitzeuge nicht nur von den sieben Jahren Haft im Konzentrationslager Buchenwald, sondern - und das war thematisch neu und vielen unbekannt - auch von der Gefahr, der er als damaliger Trotzkist auch von Seiten der kommunistischen Funktionshäftlinge ausgesetzt war, welche in Buchenwald nach dem "Teile und herrsche"-Prinzip der Nazi eine interne Lagerhierarchie hatten aufbauen dürfen und dementsprechend bestimmte Häftlinge begünstigten und andere - wie ihn - benachteiligten, was unter den dortigen Bedingungen immer mit Todesgefahr verbunden war. Der Filmbericht brach mit dem Mythos der solidarischen Einheit der (politischen) Häftlinge unterinander. Ernst Federn ließ jedoch keinen zweifel daran, daß "alle diese Dinge (...) doch nur Anklagen gegen den faschistischen Terror und nicht gegen seine Opfer" sind.

In Buchenwald begann auch die lebenslange Freundschaft zwischen Federn und Bruno Bettelheim. In dieser Situation des vollständigen Ausgeliefertseins fanden sie ein Mittel zum Überleben dadurch, daß sie sich nicht als leidende Opfer betrachteten, sondern als gemeinsame stille Beobachter des im Lager herrschenden NS-Terrors. Sie wollten insbesondere die psychologischen Mechanismen von Terror und Sadismus sachlich ergründen, eine "Psychologie der Extremsituation" erarbeiten und notierten an Ort und Stelle einige Beobachtungen und Überlegungen. Ernst Federn gelang es, bereits 1945 und 1946 zwei wissenschaftliche Studien zu diesem Thema fertigzustellen, an deren Veröffentlichung zunächst allerdings kein Interesse bestand und die zum Teil erst später in Belgien und Frankreich erschienen und innerhalb der Fachliteratur auf keine Resonanz stießen. Im vorliegenden Buch werden - neben anderen Aufsätzen, beispielsweise gedenkenden Erinnerungen an ermordete Mithäftlinge und Sekundärliteratur - diese beiden aufschlußreichen Analysen "Versuch einer Psychologie des Terrors" und "der Terror als System: das Konzentrationslager", die auch eine ungeschminkte und nüchterne Wiedergabe des Lageralltags in Buchenwald enthalten, nun erstmals (!) zusammenhängend publiziert. Bemerkenswert an jenen Aufzeichnungen ist ebenso, daß sich der Häftling Ernst Federn als Psychoanalytiker bemühte, sich nicht nur mit seiner eigenen Situation, sondern auch mit den konstatierten Verhaltensmechanismen seiner Peiniger auseinanderzusetzen und somit sowohl über deren äußere und innere Zwänge reflektierte als auch über die Wechselwirkung zwischen Leidendem und Peiniger und ihren Konsequenzen. Was Ernst Federn damals und heute hervorhebt, ist, daß er mit seinen Studien ein Terrorsystem wie das Nazi-Regime keineswegs historisieren will, sondern terroristische Regime, deren Intention die Vernichtung des Gegners ist, auch als zukünftige Bedrohung der Menschheit betrachtet. Die Fähigkeit, ein terroristisches System aufzurichten, bestünde immer, schreibt er: "Nur kann verhindert werden, daß diese Fähigkeit zur Wirklichkeit wird." Daran arbeitet er seitdem sein ganzes Leben lang, praktisch und theoretisch.

Marianne Kröger

Veröffentlicht in: Listen, Rezensionszeitschrift Nr. 56, 2000, S. 23f.

(Die Literaturwissenschaftlerin Marianne Kröger ist Herausgeberin des Buches: Etta Federn: Revolutionär auf ihre Art (Psychosozial-Verlag, 1999). (Etta Federn war die Tante Ernst Federns).

Cet ouvrage s´ouvre sur la vie du psychiatre trotskiste Federn qui, prisonnier politique à Dachau et à Buchenwald, ne dut pas seulement craindre les SS mais aussi les staliniens du camps qui essayèrent de le liquider. La suite est dédiée aux grand textes de Federn, tel l´ Essai sur la psychologie de la terreur paru à Bruxelles en 1946. On y trouvera en outre les fac-similés des correspondances échangées entre Bettelheim et Federn.

Bulletin Trimestriel de la Fondation Auschwitz, No. 69, Oktobre-Décembre 2000, S. 97f.

 


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erstellt: 27.05..2004