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Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist,
der da war und der da kommt!

Liebe Gemeinde!
„Kommt, o Freunde, laßt uns das Offene schauen!“, spricht Jesus zu drei seiner Jünger, „laßt uns auf den Berg steigen, dahin, wo Himmel und Erde sich berühren. Vielleicht gibt G"tt selbst uns einen Fingerzeig, wie es mit uns weitergeht, vielleicht weitet dort oben sich unser Blick und gewinnt Ferne.
Laßt uns aufsteigen, auf die Fingerkuppe G"ttes, auf den Berg Tabor!“
Und dringend nötig ist dieser Aufstieg ins Freie geworden, nach all den Zumutungen, all dem Streit und all dem Unverständnis, das gerade hinter ihnen liegt.
Sechs volle Tage war das nun so gegangen: Fragen, wer er denn sei, dieser Jesus, viele Antworten, die wieder nur Fragen aufgeben. Eben noch war sich Petrus ganz sicher, daß sein Freund und Herr der Messias, der Christus sei.
Dann aber zeigt ihm Jesus die eigene leidvolle Zukunft, die ihn in Jerusalem erwartet. Petrus ist bestürzt und fängt zu streiten an: 
„Das darf nicht geschehen, daß du uns genommen wirst, du bist doch unser Freund; das kann gar nicht sein, denn du bist doch der Messias, der uns befreien wird.“
Und schroff fährt ihn Jesus an: „Verschwinde, du Satan!“ Kein Versuch, dem Freund etwas zu erklären, kein Kompromiß, sondern nur dieser Hieb: „Verschwinde, du hast nichts von mir und meinen Aufgaben verstanden!“
Doch vermag eine wirklich gewachsene Freundschaft auch einmal eine solche Entfernung der Freunde vertragen und aushalten. Und gleich nach dem Hieb hatte Jesus seinen Freunden wiederum Trost zugesprochen: er werde doch wiederkommen, recht bald, und einige würden ihn, den Auferweckten, sehen, noch ehe sie selbst stürben.
Wie gesagt: reichlich Anlaß, auf eine Anhöhe zu steigen, nach all dem, was Jesus seinen Freunden zugemutet hatte. Nach all den Worten und Ankündigungen Jeus ist es höchste Zeit, etwas Konkretes zu sehen und zu hören.
Und es geschieht: die selige Schau stellt sich ein, dort an dem Ort, da der Himmel die Erde berührt und die Decke vom fahlen Alltag nimmt, er sei nur Alltag. Überhelles Licht fließt auf Jesus herab und verwandelt sein menschliches Antlitz in das Leuchten der Sonne und seine Kleider und Gestalt ins Lichtweiße.
Dort, wo Himmel und Erde sich berühren, fällt die Scheidewand weg, die Diesseits und Jenseits trennt. Dort stürzen die Ordnungen von Raum und Zeit zusammen. Jetzt ist schon dereinst, hier ist dort, im selben Augenblick und am selben Ort. Die drei Männer sehen Jesus so, wie er dereinst wiederkommen wird und wie auch wir ihn erhoffen, wenn wir bekennen: 
„von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“.

Aber Jesus allein macht keinen Sinn, weder himmlisch noch irdisch, und deshalb gesellen sich zwei weitere Männer hinzu, Mose der eine, Elia der andere. Sie unterhalten sich miteinander, sie diskutieren, vielleicht eine strittige Frage oder ein Problem der Tora, der heiligen Schrift. Denn auch am Ende der Zeiten, wenn der Himmel auf die Erde kommt und G"tt bei uns wohnen wird, auch dann wird studiert und sich unterhalten und vielleicht auch gut gestritten werden; vielleicht wird das alles zukünftig erst richtig anfangen, weil wir erst dann ganz und gar befreit fragen und antworten können.
Ob unsere drei Freunde Jesu, Petrus, Johannes und Jakobus, etwas von dem verklärten Gemurmel verstehen, wissen wir nicht; mag sein, sie sind viel zu sehr in die selige Schau verloren. Petrus kommt als erster wieder zu Verstand und hat gleich einen guten Vorschlag parat: Es darf doch nicht sein, daß das Glück des seligen Augenblicks gleich wieder vergeht, es kann doch nicht sein, daß die herrliche Berührung von Himmel und Erde nicht von Dauer sein soll. Und so will er drei Hütten errichten, darin die Herrlichkeit G"ttes anzusiedeln und festzumachen.
Aber schauen wir nicht abfällig und selbstgefällig auf Petrus herab, er verhält sich nur so durchschnittlich religiös, wie wir alle es wohl tun und brauchen.
Denn was heißt denn „
Re-ligio“? Es heißt „Rückbindung“ an etwas Festes, Dauerhaftes und deshalb Verfügbares – so soll G"tt sein, wir könnten sonst den Halt verlieren. Aber G"tt wehrt sich dagegen, von uns festgelegt und eingesperrt zu werden. ER selbst naht mit Wolke und lauter Stimme und fährt Petrus, noch ehe dieser seine religiöse Rede beendet hat, ins Wort. Gewaltig und niederschmetternd kommt die Gegenwart G"ttes daher, die drei Männer stürzen in Furcht nieder und erstarren in ihrer Angst. 
Es scheint, zu Zeiten verträgt sich das Göttliche nicht mit dem Menschlichen, dann nämlich, wenn man voneinander das Falsche will und das rechte Maß nicht kennt. Daß der liebgewordene Freund so bald schon ihnen genommen werden muß und sie also den Abschied einüben sollen, das versteht Petrus nicht. Und erntet dafür den Schlag, der Satan zu sein. Und daß der kostbare Augenblick, da G"ttes Glanz und Ehrenschein aufblitzt, im Nu verschwindet und keine Dauer duldet, auch diese Lektion G"ttes geschieht gewaltsam. So als könnte G"tt auf unsere Übergriffigkeit nicht anders denn mit Macht und der Demonstration antworten, uns jederzeit überwältigen zu können.
Doch unser religiöser Trieb ist so leicht nicht auszurotten, und unser religiöses Bewußtsein ist sehr schlau: ja, das sei doch gerade das Wesentliche an einer Begegnung mit G"tt, daß wir überwältigt würden von Seiner Allmacht, das sei doch gerade das Faszinierende, wie ER es anstellt, uns fürchten und zittern zu machen. Und so liegen wir vor der Kraft und Gewalt G"ttes im Staube und beten den großen Augenblick an.
Grassiert nicht gerade in den reichen Ländern und bei den Satten, also so überwiegend bei uns, eine fast unstillbare Sucht nach Ereignissen, nach besonderen Augenblicken, die je immer einen Superlativ darstellen?
Wie virtuos wir geworden sind, unserer endlichen Lebenszeit ein Maximum an sog. „Erlebnisqualität“ abzugewinnen, ja abzupressen. Und hockt vielleicht unter der Gier die Angst, es könnte doch vielleicht mit allem nichts auf sich haben? Muß nicht deshalb alles sofort und jetzt erlebt und noch „mitgenommen“ werden, weil morgen bereits alles zunichte werden könnte?
„Du, das mußt du erlebt haben!“ so wecken wir einander die Sehnsucht nach einem gesteigerten Leben, für sich genommen doch ein gutes Verlangen.
Aber wenn wir dann meinen, es könne erfüllte und große Augenblicke geben, die erlebt zu haben allein schon das ganze Leben lebenswert machten, dann verdreht sich unser gutes Verlangen in verzweifelte Gier. Bedeutsam soll er sein, der große Augenblick: und deshalb muß er uns alle Fragen nach dem Lebenssinn beantworten. Reich und hinreißend schön muß er sein: und deshalb rauben wir dem armen und alltäglichen Leben seine Kräfte, um sie in das große Ereignis zu investieren. Wir machen mobil und verfallen so der Gewalt.

Liebe Gemeinde,
schauen wir noch einmal auf unsere Geschichte, so wie Matthäus sie uns erzählt.
Sie endet ja, G"tt sei Dank, nicht damit, daß die drei Jünger erstarrt und leblos im Staube liegen. Der Glanz und die Herrlichkeit G"ttes sind verschwunden, verschwunden die Schönheit und der Schrecken der himmlischen Gewalt.
Jesus allein, ganz unverklärt und wieder ganz gegenwärtig, nähert sich den drei Freunden, rührt sie sanft an und nimmt die Furcht von ihnen. Sein Zuspruch zusammen mit der Berührung richtet die Niedergeworfenen auf, so daß sie wieder auf die Füße und zur Sprache kommen. Sie beginnen zu fragen, z.B. was es mit Elia für eine Bewandtnis habe. Und sie fangen an zu verstehen: daß der Elia, den sie eben noch himmlisch verklärt sahen, etwas mit dem irdischen Johannes dem Täufer zu tun hat. Und so ziehen Aufklärung und Vernunft in den schönen Schein der Vision ein, nicht um sie zu zerstören und dem nüchternen Diesseits zu opfern. Vielmehr bleiben Himmel und Erde berührt, es braucht da gar keine Hütten, nur die anrührende Geste, das aufrichtende Wort und die Unterredung über das, was man sah.
Jetzt können die vier, Jesus und die drei Freunde, den Abstieg vom Fingerzeig G"ttes, vom Berg Tabor beginnen, hinab ins Flachland des Alltags. Von jetzt an wird es darum zu tun sein, das Erlebte im Alltag zu bewähren. Zu lernen, ganz allmählich und nicht sofort perfekt, wie das denn geht, nicht blind und stumpf an all dem Grau des Alltags zu werden, vielmehr den Schleier wegzuziehen, wann und wo immer sich Himmel und Erde berühren. Aufmerksam und wachsam zu sein, wann immer die Welt auf etwas verweisen will, das nicht so nah uns vor Augen liegt. Aber auch zu lernen, daß unsere Hoffnungen nicht ins Illusionäre abstürzen, es sei doch alles schon vollbracht und gut. Nein gut ist, wenn unsere Erde unseren Himmel festhält, auf daß wir nicht im Unbestimmten verschweben.

Verlernen wir also, den großen Augenblick zu kultivieren, von einem Gipfel zum nächsten eilen zu wollen, undankbar hinwegjubelnd über die Täler des Alltags. Lernen wir stattdessen, das Glück des erfüllten Augenblicks mit unserem oft mageren und armen Alltag zu vertragen und zu befreunden. Wir können das nämlich; unsere Erinnerung kann das. Sie bewahrt und behält den seligen Augenblick bei sich; und fast will es scheinen, als ob wir etwas Kostbareres nicht hätten. Ein schaukelnder Kahn auf den Wogen sanft wiegend – wir erinnern uns der ersten Liebe; ein kleines Kind lacht und juchzt laut auf – wie war das mit uns, als alles noch so neu und aufregend war und wir uns so hemmungslos freuen konnten. Was könnte darüber noch gehen?

„Bis in den Tod 
kann aber ein Mensch auch
Im Gedächtnis das Beste behalten,
Und dann erlebt er das Höchste.“

Hölderlin war es, der so in seiner Hymne an den „Rhein“ die Erinnerung preist.
Und geht doch etwas darüber und über den Tod hinaus - ich meine die Hoffnung: wenn das sonnenhafte Antlitz von Schmerz und Schlägen gezeichnet ist und die lichtweißen Kleider verdreckt und blutverschmiert sind, dann wird uns unsere Hoffnung an das erinnern, was wir auf dem Berg Tabor sahen. Denn haben wir keine Hoffnung, dann werden uns auch die kostbarsten Erinnerungen nicht aus der Gewalt der Realität heraushelfen. In der Hoffnung aber ist uns G"tt nahe, ohne Gewalt, aber mit einer sanften Berührung.
Amen.

Und der Friede G"ttes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere 
Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Predigt über Mt 17, 1-13 (9.2.03, letzter So Epiphanias) Gemeinde Dünnwald und Bodelschwingh

Revidierte Elberfelder Bibel 1992
Mt 17, 1-13 - Die Verklärung Jesu
1 Und nach sechs Tagen nimmt Jesus den Petrus und Jakobus und Johannes, seinen Bruder, mit und führt sie abseits auf einen hohen Berg.
2 Und er wurde vor ihnen umgestaltet. Und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie das Licht;
3 und siehe, Mose und Elia erschienen ihnen und unterredeten sich mit ihm.
4 Petrus aber begann und sprach zu Jesus: Herr, es ist gut, daß wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten machen, dir eine und Mose eine und Elia eine.
5 Während er noch redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke, und siehe, eine Stimme <kam> aus der Wolke, welche sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe. Ihn hört!
6 Und als die Jünger es hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr.
7 Und Jesus trat herbei, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!
8 Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als ihn, Jesus, allein.
9 Und als sie von dem Berg herabstiegen, gebot ihnen Jesus und sprach: Sagt niemandem die Erscheinung <weiter>, bis der Sohn des Menschen aus den Toten auferweckt worden ist!
10 Und die Jünger fragten ihn und sprachen: Was sagen denn die Schriftgelehrten, daß Elia zuerst kommen müsse?
11 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Elia kommt zwar und wird alle Dinge wiederherstellen.
12 Ich sage euch aber, daß Elia schon gekommen ist, und sie haben ihn nicht erkannt, sondern an ihm getan, was sie wollten. Ebenso wird auch der Sohn des Menschen von ihnen leiden.
13 Da verstanden die Jünger, daß er von Johannes dem Täufer zu ihnen sprach.

Liturgie des G"ttesdienstes


erstellt am
15.02.2003

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