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Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt!

 

Lied 37

2. Da ich noch nicht geboren war, / da bist du mir geboren /
und hast mich dir zu eigen gar, / eh ich dich kannt, erkoren. /
Eh ich durch deine Hand gemacht, / da hast du schon bei dir bedacht, /
wie du mein wolltest werden.

 

Der Predigttext für den heutigen ersten Feiertag des Christfestes steht im
Propheten Micha, Kap 5, 1-5

 

Micha, Kap 5, vv 1- 5

1 Nun ritze du dich, Tochter der Trauerritzung

   In Einengung hat man uns versetzt

   mit dem Stecken schlagen sie auf die Wange

   den Richter Israels

 

2 Du aber, Bethlehem-Ephrat, Geringste unter der Tausendschaften Jehudas,

   aus dir geht mir der hervor, Herrscher zu sein in Israel,

   dessen Aufgang ist von alters her, aus den Tagen der Urzeit.

 

3 Darum gibt Er (G“tt) sie dahin bis zu der Zeit, da die Gebärende geboren,

   dann kehrt der Rest seiner Brüder zurück

   samt den Kindern Israels.

 

4 Hin tritt er und weidet mit der Kraft des Ewigen,

   mit der Hoheit des Namens des Ewigen, seines G“ttes,

   sie aber wohnen in Ruhe,

   denn groß wird er bis an die Enden der Erde.

 

5 Und dies wird Friede sein.

 

Liebe Gemeinde!

Töchter sind es, zu denen G“tt spricht, Schwestern in Juda. Jerusalem, die hochgebaute, turmbewehrte Zionstochter ist die eine, groß und Mittelpunkt des Landes.

Doch alle Wehr und Waffen können ihr nicht helfen gegen den Andrang der äußeren Feinde, und gegen die Beugung des Rechts im Inneren regt sich kein Widerstand.Von innen zermürbt, von außen bedrängt und umklammert, wird Jerusalem stürzen und fallen – und mehr als nur dies eine Mal, auf das der Prophet Micha voraussieht, wird es geschehen.
Die große Stadt, der wir eben noch unser adventliches „Tochter Zion, freue dich“ zuriefen, weil wir allen Grund zur Mitfreude und zum Mithoffen hatten, Jerusalem sitzt auf der Asche seiner erloschenen Freude. „Tochter der Trauerritzung“ spricht G“tt sie an und rät ihr zum alten Brauch, sich Einschnitte zu machen.

Das klingt grausam, doch ist es ein therapeutischer Rat: der übergroße Schmerz, der die Trauernde zu überfluten droht, wird in der Einritzwunde konkret und in einer konkreten Bahnung gebändigt.
Und Traumatisierte, Menschen, die etwas überwältigend Schlimmes erleben mußten und ertaubten, also fühllos wurden, fügen sich manchmal eine Verletzung zu, um überhaupt wieder etwas zu verspüren, zu fühlen.

Die ohnmächtige Zionstochter weiß sich keine Hilfe, zumal keine Hilfe aus eigener Kraft. Aber vielleicht kann sie noch aufmerken auf das, was G“tt einer anderen Tochter Jehudas (Judas) zusagt, der kleinen Stadt Bethlehem-Ephrat im Süden Jerusalems. So klein ist sie, daß man sie übersehen könnte, so gering, daß leicht sie übergangen wird. Und doch: aus dem Kleinsten und Geringsten her wird Rettung kommen, denn G“tt hat gerade das Geringe und Unscheinbare erwählt.

Und wie es mit den Schwestern geht, so ging es auch mit den Brüdern.

Nicht wahr, Sie erinnern sich, liebe Gemeinde?

Als Saul, König über Israel, G“ttes Schutz und Segen verliert, da wird der Prophet Samuel von G“tt nach Bethlehem zum Vater Isai (Jesse) gesandt, um einen neuen König zu salben. Vater Isai präsentiert dem Propheten nach und nach seine sieben großen Söhne, allesamt stattlich im Wuchs und überhaupt von imposantem Äußeren.
Aber Samuel, dessen Augen durch G“ttes Hilfe tiefer und besser, nämlich bis aufs Herz sehen, erkennt, daß keiner der sieben Söhne der G“tt Rechte und von G“tt Erwählte ist. „Ja, sind das denn alle deine Söhne, hast du sonst keinen mehr?“, fragt Samuel etwas ratlos den Vater.
Der, nun endlich, entsinnt sich seines jüngsten und kleinsten Sprößlings, des Hirtenjungen David dort draußen auf dem Felde bei den Schafen – fast übersehen, beinahe übergangen. Herbeigeholt wird David erkannt als der, den G“tt schon je gemeint hat: erwählt, geliebt, geistbegabt – von nun an und für alle folgenden Generationen des Hauses David.

 

Wir singen die 6. und 7. Strophe des Liedes „Ich steh an deiner Krippen hier“

6. O daß doch so ein lieber Stern / soll in der Krippen liegen! /
Für edle Kinder großer Herrn / gehören güldne Wiegen. /
Ach Heu und Stroh ist viel zu schlecht, / Samt, Seide, Purpur
wären recht, / dies Kindlein drauf zu legen!

7. Nehmt weg das Stroh, nehmt weg das Heu, /
ich will mir Blumen holen, / daß meines Heilands Lager sei /
auf lieblichen Violen; / mit Rosen, Nelken, Rosmarin /
aus schönen Gärten will ich ihn / von oben her bestreuen.
 

Liebe Gemeinde,

wir räumen alles Kriegsspielzeug und alle Computerspiele, mit denen schon wieder und immer noch Heranwachsende auf Tod und Gewalt eingeschworen werden, beiseite und bringen unseren Kindern Blumen aus den schönsten Gärten.

Wir machen aus ihnen Blumenkinder, wie unser Meister Gerhardt Jesus zu einem Blumenkind machte. Das ist noch nicht der Friede, gewiß aber einer seiner Anfänge.
Wir fangen an, unserer tiefsitzenden Neigung entgegenzuarbeiten, Konflikte gewaltsam austragen zu wollen, wir fangen an, den Krieg zu verlernen, wir kündigen dem Tod unsere Bereitschaft auf, mit ihm nur irgendeinen Bund zu schließen.
Und wenn wir damit anfangen, wird der Fortgang vielleicht gar nicht mehr so schwer und unerschwinglich weit entfernt sein: aus Schwertern Pflugscharen und aus Spießen Rebmesser zu formen, so wie die Propheten Micha und Jesaja es ersahen.

Wir fangen klein und mit den Kleinsten an, denn die Frage von Krieg und Frieden ist auch eines des Verlernens und Lernens und des Übens. Wir tun das, denn wir wollen doch dem alle Ehre machen, von dem wir unseren Namen haben, Christinnen und Christen zu sein: unserem Herrn, dem Christus, dem Messias, dem Friedefürsten.

Und wie wird das Kleine nun groß?

  „Hin tritt er und weidet mit der Kraft des Ewigen,

   mit der Hoheit des Namens des Ewigen, seines G“ttes,

   sie aber wohnen in Ruhe,

   denn groß wird er bis an die Enden der Erde“ (Vers 4).

 

Nicht auftrumpfend und mit eiserner Faust, den Frieden zu erzwingen, tritt er hin, der Friedensbringer aus Judas kleinster Stadt. Sondern wie ein Hirte, der bei den Seinen bleibt. Die Sprache der Tiere versteht er, auf einen Stab und vielleicht gar auf eine Rose stützt er sich, für eins seiner Verlorenen geht er bis ans Ende der Welt und in die Tiefen der Unterwelt – so macht er sich überall bekannt und wird groß „bis an die Enden der Erde“. Alles und alle, die sich ihm anvertrauen, werden satt, und seiner Weidegebiete werden mehr.

Er leistet, wo es geboten ist, Widerstand, zivil, gewaltfrei und unwiderstehlich, so daß alle, die ihn und die Seinen bedrängen, zurückweichen müssen; denn er kommt mit der Kraft des ewigen G“ttes und unter dem Schutz des g“ttlichen Namens. Und man wird unbedroht und in Ruhe wohnen, die Seinen, sein Volk Israel zuerst, und dann auch alle anderen Völker des Erdkreises.

Was für eine Hoffnung wird uns da zu hoffen geschenkt! Und wie bedroht und wie auch entfernt ist genau dieser Friede des Wohnens und Bleibens.
Unter dem Diktat einer jederzeitigen Mobilität und Verfügbarkeit soll alles und jeder nun auf Trapp gebracht werden; ein globaler Kapitalismus, dessen Geld- und Kapitalströme immer schneller um den Planeten jagen, reißt uns in eine Beschleunigung hinein, durch die uns Hören und Sehen vergehen.
Wer auf Abstand treten will, sich das Ganze in kritischer Distanz zu besehen und das dafür nötige Maß der Zeit und des Raumes einklagt, läuft Gefahr, ganz beiseite geräumt und aus der Menge der gesellschaftlich noch Zählenden aussortiert zu werden.

Zum Frieden G“ttes, von dem uns heute der Prophet Micha spricht, jedenfalls gehört es, daß die Menschen angstfrei und ohne aufgeschreckt zu werden wohnen und bleiben können, dort, wo das Ihrige ist, dort, wo sie sich hingehörig fühlen - „Heimat“ also wäre mehr als die des bloßen Herkommens.

„O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat“, den König, der dem Frieden G“ttes Wohn- und Bleiberecht verschafft:

- so daß es in Stadt und Land nichts Großes mehr gibt als solches, welches zum Ruhme G“ttes groß ist, ein einziges Himmelszeichen,

- und Tore, allezeit offen, weil niemand mehr bedroht oder bedroht wird, Tore, hochaufragend, um den Himmel mit der Erde zu verbinden, sonst aber aus keinem Grunde.

 

        Und wann, liebe Gemeinde, wird das sein?

„Rabbi Jehoschua ben Levi traf einst Elijahu (also den Propheten Elia) am Eingang einer Höhle. Da sprach er zu Elijahu: Werde ich in die zukünftige Welt kommen? Elijahu erwiderte: Wenn es dem Herrn gefällig sein wird.

Rabbi Jehoschua fragte weiter: Wann wird der Messias kommen?

Geh hin und frage ihn selbst, antwortete Elijahu.

Wo befindet er sich?  - Am Tore vor Rom.

Und woran erkennt man ihn? – Er sitzt zwischen den mit Krankheiten behafteten Armen; alle übrigen binden ihre Wunden mit einem Male auf und verbinden sie alle auf einmal wieder, er aber bindet sie einzeln auf und verbindet sie nacheinander, denn er denkt: vielleicht ruft man mich und ich werde verlangt; so soll keine Verzögerung entstehen.

Hierauf ging Rabbi Jehoschua zu ihm hin und sprach zu ihm: Friede sei mit dir, Herr und Rabbi! – Friede auch mit dir, du Sohn Levis!

Dieser fragte: Wann kommt der Messias?  Heute, erwiderte dieser.

Darauf kehrte Rabbi Jehoschua zu Elijahu zurück, der ihn fragte: Was sagte er dir? – Friede sei mit dir, Sohn Levis! – So hat er dir und deinem Vater die zukünftige Welt verheißen, sprach Elijahu.

Nein, er hat mich belogen, denn er sagte mir, er werde heute kommen, und er kam nicht!

Da erwiderte Elijahu: er hat es so gemeint: Heute, wenn ihr auf die Stimme G“ttes hört“   (Sanh. 98a).

 

Amen.

Und der Friede G“ttes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen
und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Wir singen nun die 9. Strophe des Liedes EG 37

9. Eins aber, hoff ich, wirst du mir, / mein Heiland, nicht versagen: /
daß ich dich möge für und für / in, bei und an mir tragen. /
So laß mich doch dein Kripplein sein; /
komm, komm und lege bei mir ein /
dich und all deine Freuden.

 

Text: Paul Gerhardt 1653
Melodie: Johann Sebastian Bach 1736
 

 

Liturgie des G"ttesdienstes


erstellt am
29.12.2004

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