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Liebe Gemeinde!

Der Predigttext für den heutigen Himmelfahrtstag steht am Ende des Lk-Ev, seine letzten vier Verse sind es; und recht besehen, haben wir ihn auch schon gebetet und gesungen. Hören wir den Schluß des Evangeliums nun im Zusammenhang:

„Und Jesus führte seine Freunde hinaus bis in die Nähe von Bethanien und erhob seine Hände und segnete sie. 
Und es begab sich, während er sie segnete, entschwand er ihnen und wurde in den Himmel emporgehoben.
Und sie warfen sich anbetend vor ihm nieder und kehrten mit großer Freude nach Jersusalem zurück.
Und sie waren allezeit im Tempel und priesen Gott.“

Jesus nimmt Abschied von seinen Freunden, draußen vor der Stadt. Er führt sie hinaus ins Weite nach Bethanien, das liegt am Fuße des Ölbergs. Bethanien, so ein rechter Lebens- und Auferweckungsort ist es, zu dem er sie führt. Denn in Bethanien hatte Jesus den toten Freund Lazarus zum Leben auferweckt, kein Trauerort mehr, sondern einer, der zu hoffen gibt.
Und wie anders ist ja auch der letzte, nun endgültig letzte Abschied, den Jesus und die Seinen voneinander nehmen. Nicht abschiedstraurig, sondern hoffnungsfroh trennen sie sich. Nicht in Armut, wie versehrt und ihrer Zukunft beraubt, vielmehr reich beschenkt, gesegnet und mit hochgespannten Hoffnungen kehren sie in den Alltag ihrer Stadt zurück. Denn ein ganz und gar Reicher und ein ganz und gar Freier scheidet von ihnen, der ihnen an seiner Freiheit und seinem Reichtum Teil gibt.

Christus geht; das karge Holz des Kreuzes, der lastende und schwer zu wälzende Stein des Grabes, die Einsamkeit des Todes – all das liegt hinter ihm. Christus lebt ein neues Leben, das kein Tod mehr betreffen kann. Überreich lebt er aus der Nähe zum Vater und Seiner Lebendigkeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Dorthin ist er unterwegs, dem Vater nahe zu sein. Frei ist er, berührbar bleibt er und überaus kontaktfähig, aber festhalten und umklammern kann ihn nun nichts und niemand mehr, auch nicht die wohlmeinendsten Freunde. Denn seit er dem Tod endgültig entnommen wurde und den grausamsten aller Beziehungsab= brüche überwunden hat, ist er frei zu allen Beziehungen, aber auch frei gegen unsere Begehrlichkeiten, ihn zu umklammern und zu fixieren. Deshalb hat sein Abschied eine auch uns befreiende Seite: wir verlernen mit dem scheidenden Christus unseren Klammertrieb.

Und reich und beschenkt läßt er die Seinen zurück: über sein Gehen und Entschwinden wölbt sich der Bogen seines Segnens. Sein Gehen und Entschwinden zieht den Blick der Freunde himmelwärts und ins Weite.
Keine niedergeschlagenen Augen mehr, keine hängenden Köpfe wie noch die Emmaus-Jünger dahertrotteten, als der Auferweckte zu ihnen trat. So spannt ihnen Christus, der sich entfernt, den Horizont weit auf, auf daß sie sich nicht ans Nächste und Allzu-Nächste verlieren und reichlich kurzsichtig werden.
Wichtig ist das und allezeit zu behalten.

Genauso wichtig aber ist es auch, vor lauter Himmelsguckerei nicht die Bodenhaftung auf der Erde zu verlieren. Vielmehr treu auf ihr zu bleiben und ihr und allen ihren Geschöpfen die Treue zu halten. Ohne G"ttes Hilfe und ohne Seinen Segen schaffen wir das nicht. Und so segnet Christus die Seinen und gibt uns ein Versprechen: 

„Wenn ich euch auch jetzt verlasse, so seid ihr doch nicht ohne Trost und Beistand. Noch eine kurze Weile, dann werdet ihr mit einer Kraft aus der Höhe bekleidet werden. Der Windbraus G"ttes wird euch durchpusten und unter die Arme greifen, und mit der Kraft des Geistes werdet ihr all das tun können, was ich euch zu tun aufgebe. Euer Alltag wird ein G"ttesdienst und ein G"tteslob sein und von den alltäglichen Dingen die Decke wegziehen, sie seien bloß alltägliche Dinge. Wo sie doch alle auch G"ttes-Dinge sind.“
„Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben“ (Lk 24, 51).

Hören Sie, liebe Gemeinde, wie fein es uns Lukas sagt: Der Segen währt und wird nicht unterbrochen. Segnend scheidet Christus von den Seinen, um mit seinem Segen bei uns zu bleiben. Wie ein Bogen, der Himmel und Erde verbindet, wie der Regenbogen, den G"tt einst Noah versprach als Zeichen der G"ttlichen Bundestreue.

Jüngst bekam ich Post von einem lieben Freund aus den Niederlanden, Chaim heißt er, sehr vertraut mit jüdischer Mystik und reichlich G"tteserfahren ist er, mit seinen nun fast 80 J. 
Aus seinen Briefzeilen ersteht noch ein anderes Bild als das eines Bogens, nämlich das einer kostbaren Kette, die Himmel und Erde miteinander verbindet. Mit der Kette ist der Himmel an die Erde geheftet, so daß der Himmel mit all seiner Luftigkeit nicht ins Unbestimmte davonsegelt. 
Aber umgekehrt ist auch die alte Erde mit dem Himmel verbunden, damit sich nicht altersblind wird und allezeit dem entgegenwartet, was G"tt ihr dereinst aus seinen Himmels herabsenden wird – ich meine: Sein kommendes Reich.
Das obere Ende der Kette hält G"tt in Seiner Hand, das untere Ende reicht er den Menschen auf der Erde. Immer wenn ER die Kette uns Menschen reicht, ertönt die Kette und ihr Klang läuft die Glieder der Kette auf- und abwärts, so wie die Engel auf der Himmelsleiter, die Jakob im Traum ersah. Die Kette heißt in der jüdischen Tradition auch „Kette der Überlieferung“, und ihre Kettenglieder sind die miteinander verketteten Generationen; jede Generation ist mit der vorhergehenden und mit der nächsten verkettet, jede ein wichtiges und kostbares Glied, das Wort G"ttes zu hören, zu tun und weiterzusagen. Und darauf liegt der Segen G"ttes: auf allen Menschen zwischen Himmel und Erde, die machen, daß der Himmel die Erde berührt – so wenigstens ab und an - und die Erde ihre himmlische Geduld nicht verliert.
Auf uns also liegt der Segen, obgleich wir doch alle keine Engel sind.

Und nun ganz zum Schluß nach all der schweren Theologie noch etwas gleichermaßen Freches wie Frommes von einem ungarischen Schriftsteller, der neuerdings wieder entdeckt wird; er heißt Sándor Márai:

Sándor Márai

Zwischen Himmel und Erde
Ich lebe zwischen Himmel und Erde, habe etwas Unsterbliches und Göttliches in mir, pflege aber auch in der Nase zu bohren, wenn ich allein im Zimmer bin,
in meiner Seele haben sämtliche Weisheiten Indiens Platz,
doch habe ich mich im Kaffeehaus einmal mit einem betrunkenen Industriebaron geprügelt,
ich kann stundenlang aufs Wasser schauen, dem Flug der Vögel folgen, trug mich aber auch schon mit Selbstmordgedanken, weil ein Wochenblatt in unverschämten Ton über mein Buch geschrieben hat,
im Verstehen menschlicher Dinge wie in weisem Gleichmut bin ich des Konfuzius Bruder, aber ich ertrage es nicht, wenn die Gazetten meinen Namen nicht unter den Anwesenden erwähnen,
ich bleibe am Waldrand stehen, betrachte staunend die Farben des Herbstlaubes und kann der Natur doch nur mit Argwohn und Vorbehalt begegnen,
ich glaube an die höhere Kraft der Vernunft und verbrachte die meisten Abende meines Lebens in einfältiger Gesellschaft mit hohlem Geschwätz,
ich glaube an den Himmel und die Erde, weil ich ein Mensch bin, zwischen Himmel und Erde.

Amen.


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