Liebe Gemeinde!Ein Mann sitzt
des Nachmittags auf der Veranda seiner großen Villa.
Philoplousios ist sein Name. Wohlgefällig streicht er
mit der linken Hand die Falten seines neuen
Seidengewandes glatt, das ein wenig über dem Bauchansatz
spannt. Sein Blick schweift über die Getreidefelder und
Olivenhaine seiner Ländereien, dort in der fruchtbaren
Ebene nördlich des Sees Genezareth - wahrlich, ein G"ttgesegnetes
Land. Bei klarer Sicht, so wie heute, kann man das
westlich gelegene Kapernaum sehen und im Osten, jenseits
des Sees, die Steilhänge der galiläischen Berge.
Besonders
stolz ist Philoplousios auf seine Nußbäume, die
Vorbestellungen aus Syrien reißen gar nicht mehr ab, so
versessen ist man dort auf die Früchte. Nicht immer
schon war sein Besitz so ausgedehnt wie heute. Sicher,
von seinem Vater hatte Philoplousios bereits ein großes
Gut geerbt, aber erst die Mißernte vor fünf Jahren
spielte ihm die Chance zu, seine Güter zu verdreifachen.
Er lieh
hier und dort, gab Darlehen zu Wucherzinsen, verkaufte
das knapp gewordene Saatgut zu überhöhten Preisen und
trieb so und mit seinen Dumping-Preisen die vielen
Kleinbauern in den Ruin. So wie er hielten es auch die
anderen Großgrundbesitzer, nun gibt es in der ganzen
Gegend keinen einzigen Kleinbauern mehr. Glücklich kann
sich nennen, wer wenigstens als Pächter noch den ehemals
eigenen Boden bearbeitet, viele aber ziehen als Tagelöhner
über Land, etliche gar sind in Knechtschaft und
Leibeigenschaft geraten.
So war
erfüllt worden, was der Prophet Jesaja angesagt hatte:
"Sie
reihen Haus an Haus, rücken Acker an Acker, bis kein
Platz mehr ist und sie allein Besitzer sind mitten im
Land - doch wehe ihnen" (Jes 5,8; leicht
umformuliert).
Ach, die
alten Schriften. Aber neuerdings kommen sie wieder in
Umlauf und zu Ansehen. Wanderprediger und Sektierer
ziehen umher und predigen laut soziale Gerechtigkeit,
Schuldenerlaß und Amnestie; etliche der Besitzlosen
haben sich zu politischen Banden zusammengeschlossen,
Zeloten, d.h. Eiferer nennen sie sich. Vielleicht sollte
die römische Herrschaft doch stärker durchgreifen,
denkt Philoplousios.
Er
beschließt, seine Gedanken wieder angenehmeren Dingen
zuzuwenden. Bald werden die ersten Gäste eintreffen, die
benachbarten Gutsbesitzer; es gilt, die reiche Ernte zu
feiern. Besonders freut sich Philoplousios auf Salome,
die Tochter seines besten Freundes Titus. Wie feinste
Seide schimmert ihre bronzene Haut, betörend ihr Duft.
"Ich muß unbedingt zusehen, daß ich wieder neben
sie zu sitzen komme" - dieser Gedanke geleitet
Philoplousios sanft in den Schlummer.
Die
Party war kein rechter Erfolg, um es genau zu sagen, ein
schriller Mißklang beendete sie vorzeitig. Denn nach dem
Essen - der schwere Wein hatte die Zungen gelöst -
begann einer der Gäste zu sticheln:
"Ei
Philoplousios, ein schönes Fest hast du uns da
ausgerichtet. Ich fürchte nur, es wird dein letztes sein.
Dein Hausverwalter, den du jüngst eingestellt hast, wie
heißt er doch gleich, Zedekia oder Zidkijaha oder so ähnlich,
dieser Mann bringt dein ganzes Vermögen durch. Hat wohl
ein zu weiches Herz, munkelt man, treibt die Pacht nicht
rechtzeitig ein, verleiht ohne Zins, verschenkt sogar
manchesmal von deinem Geld."
Ein Außenstehender
hätte in diesem Augenblick nicht zu sagen gewußt, ob
Schames- oder Zornesröte das Antlitz des Philoplousios
dunkel verfärbte. Schnell verabschieden sich die Gäste.
Noch in derselben Nacht läßt der Gutsherr Zidkijahu,
seinen Verwalter, zu sich rufen. Kein Wort der
Verteidigung wird ihm gestattet. Stattdessen:
"Du
bist fristlos entlassen! Morgen bringst du die Bücher,
Urkunden, Schuldscheine und mein Siegel hierher zurück.
Und jetzt pack dich, aber hüte dich: ich werde dafür
sorgen, daß du nirgends mehr im Lande eine Anstellung
als Verwalter findest!".
Bekümmert
schleicht Zidkijahu nach Hause. "Wer des Armen
spottet, der schmäht desses Schöpfer" - dies Wort
des Königs Salomon hatte ihn geleitet bei seinen eher
unsystematischen Umverteilungsversuchen, mal hie und da,
je nach Situation und Gegenüber. Nun also: der Rauswurf
und soziale Abstieg. Aber was hatte er denn anderes
erwartet von Philoplousios?
Schon
der Name; nomen est omen: Philoplousios - einer, der den
Reichtum liebt.
"Sicher,
geltendes Besitzrecht habe ich verletzt, was aber wiegt
das gegen die Rechtsbrüche meines Herrn?", beginnt
Zidkijahu seine nächtliche Selbstunterredung. "Ein
Schnäppchenjäger und Konjunkturritter war er von jeher.
Gegen G"ttesrecht verstößt er, nimmt Zins für
Geborgtes, obwohl G"tt es durch Mose verboten hat. Jede
Laune des Marktes nutzt er zu seinem Vorteil, obwohl
unsere Lehrer anordneten: wenn jemand seinem Nächsten
einen Kor,
das sind 400l, Weizen borgt und der Preis fällt, dann
erhält der Gläubiger den Weizen zurück und erleidet
also keinen finanziellen Schaden. Steigt aber der Preis,
dann erhält er den ursprünglichen Geldwert zurück, und
so erleidet der Schuldner keinen finanziellen Schaden (Baba
Mezia, 74b-75b)."
Zidkijahu
wir bitter: "Ein schönes Recht haben wir da; schade
nur, daß niemand ihm zur Durchsetzung verhilft.
Philoplousios und all die anderen Zinsnehmer und Wucherer
bleiben straffrei. G"tt, der HERR, wird ihr Richter sein,
trösten unsere Weisen. Warum nur zögert ER SEIN Kommen?"
`Dein
Wille geschehe - wie im Himmel so auf Erden´ - wo hatte
Zidkijahu das nur gehört? Er besinnt sich: als er jüngst
die Synagoge in Kapernaum aufsuchte, predigte dort ein
junger Rabbi aus Nazareth, Jeschua war sein Name. Wie
virtuos er die Propheten auslegte!
Von G"ttes
großer Amnestie hatte er gesprochen und von der
geringeren, die die Menschen einander schuldeten. Ein
Erlaßjahr sogar hatte er angekündigt, da alle Sklaven
freikommen und die Schulden erlassen werden sollen. All
das sprach Zidkijahu aus dem Herzen. Sein Blick fällt
auf das gutsherrliche Siegel und er faßt einen Plan:
"Beim
Geld hört die Freundschaft auf, sagt man, ich will es
anders angehen. Meine Freundschaften fangen jetzt erst an.
Gleich morgen früh...."
Liebe
Gemeinde!
Um
welchen Plan es sich handelt, sagt uns der - solange zurüchgehaltene
- Predigttext für den heutigen Sonntag; er steht bei Lk
im 16.Kap., Vers 1-9.
Wohl den
Armen, die einen solchen Verwalter zum Anwalt haben, möchte
man da ausrufen. Noch immer durch Gesamtprokura und
Siegel bevollmächtigt, betreibt unser Verwalter einen
umfassenden Schulden- und Zinserlaß, nun eben
systematisch. Denn er läßt jeden einzelnen Schuldner
rufen und erläßt ihm genau den Schuldenanteil, den der
reiche Gutsbesitzer unrechtmäßigerweise erhoben hatte.
So setzt er G"ttesrecht durch, und deshalb lobt ihn G"tt,
der HERR.
Aber das
ist nur der eine Grund für G"tteslob. Einen weiteren
erfahren wir:
Klug
habe er gehandelt, klüger als die "Söhne des
Lichts". So nennen sich selbst die Essener, eine jüdische
Sekte, angesiedelt im Gebiet von Qumran. In klösterlicher
Weltabgeschiedenheit sind sie vornehmlich mit der Pflege
ihres salvierten Gewissens beschäftigt, aber ihre Weste
ist gar so weiß nicht - gerade weil sie sich die Hände
nicht beschmutzen wollen, weil sie sich nicht einmischen
und weil sie `dem Rad nicht in die Speichen greifen´
wollen.
Stattdessen:
macht euch bekannt mit der Welt der Ökonomie, mit all
ihren Widrigkeiten, Gemeinheiten und Fallstricken, aber
auch mit ihren Chancen.
Prüft
diese Welt sorgsam, ob ihre Gesetze vor G"ttes Recht und
Weisung bestehen können. Bereitet G"ttes kommender
Gerechtigkeit die Wege - jetzt!
Und:
Seid parteilich!
"Wer
des Armen spottet, schmäht dessen Schöpfer."
Dem
Evangelium des Lk können wir entnehmen, wie solche
Parteilichkeit in konkrete ökonomische Phantasie übergeht:
vergebt einander Schulden, leiht auch denen, die nichts
zurückzahlen können (6,30.34), schreibt Schuldscheine
kreativ um (16,6ff.), verkauft Besitz zugunsten der
Armen, erstattet betrügerisch erworbenen Gewinn vierfach
zurück (19,8).
Auf
einer Straße in Manila trifft Anita, eine Philippinin,
auf Hans, einen Mann aus Deutschland:
"Herr,
wollen Sie mir dieses Hemd abkaufen? Es ist gut genäht
und außerdem sehr billig."
"Zeig
her. Tatsächlich. Was verlangst du dafür?"
"5
Dollar"
"Ich
gebe dir 4. Aber ich kann dir einen Kredit verschaffen,
damit du dir eine moderne Nähmaschine kaufen kannst.
Dann kannnst du in der gleichen Zeit 4 Hemden nähen und
20 Dollar verdienen."
"Danke,
Herr."
Einige
Zeit später:
"Herr,
hier sind 4 Hemden . Die neue Maschine ist wirklich
wunderbar."
"Ich
kann dir leider nur 2 Hemden abkaufen. Ich habe keine
Kunden dafür."
"10
Dollar, bitte."
"Ich
kann dir keine 10 Dollar geben, sonst kaufe ich die
Hemden in China. Dort
kosten sie nur 2 Dollar das Stück. Mehr zahle ich dir
auch nicht. Von den 4 Dollar muß ich dir leider einen für
die Kreditzinsen abziehen. Du mußt fleißiger nähen,
denn im nächsten Jahr mußt du mit der Kreditrückzahlung
beginnen."
1 Jahr
später:
Hans
braucht keine Hemden mehr. Anita verkauft ihre Hemden zu
1 Dollar das Stück an eine Handelskette; die Nähmaschine
ist verpfändet. Die Schulden sind geblieben....
Wohl den
Armen, die kluge Hausverwalter zum Anwalt haben, aber
Wehe uns Reichen, wenn wir nicht anfangen, unseren Besitz
zu teilen. Einen anderen Fürsprecher als unseren Herrn,
Jesus Christus, haben wir nicht - der aber zählte sich
selbst unter die Armen.
Komm,
Herr Jesus - denn es wird Zeit, daß du kommst.
Amen.
Kanzelsegen:
"Der Friede Gottes, der höher ist als alle
Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus."
(Phil 4,7).
Amen.
(vorletzter So des Kirchenjahres, 14.11.99)