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Predigt zu Joh 20, 19-29

 

 

von

Brigitte Gensch

 

Liturgie des G''ttesdienstes

17.04.04 (Quasimodogeniti) in der

 Jubilate-Kirche, Lindlar


Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt!

Der Predigttext für den heutigen G“ttesdienst steht im Ev des Joh, Kap 20, 19-29.

 

Liebe Gemeinde!

„Ich glaube nur, was ich sehe !“ „Das muß ich erst einmal mit eigenen Augen gesehen haben, bevor ich das glaube!“

Nicht wahr, so eine robuste Skepsis kennen wir alle; und wenn wir sie vielleicht auch nicht selbst aussprechen, dann kennen und schätzen wir sie an anderen - als Beweis einer modernen Nüchternheit, die sich so leicht nicht ein X für ein U machen läßt, als Ausweis einer vorurteilslosen Gesinnung, die nichts auf das pure Gerede oder bloße Hörensagen gibt, alles aber auf die eigene Überprüfung, aufs genaue Hinsehen und auf den Beweis der Erfahrung und der unmittelbaren Anschauung.

Unser Jünger Thomas scheint so ein robuster Skeptiker zu sein, fast ein moder­ner Mensch, der mit seiner Skepsis und mit seinen Zweifeln gar nicht so recht in die Welt der Bibel mit all ihren Wundern und Zeichen passen will.

Thomas glaubt nicht an das, was ihm die anderen Jünger erzählen, er glaubt nicht der puren Erzählung, sie hätten den auferweckten Herrn leibhaftig in ihrer Mitte gesehen. Acht Tage ist das nun her, am ersten Tag der Woche gegen Abend war es geschehen, am Abend des Ostersonntags also. Thomas aber war nicht zugegen gewesen, als Christus unter die Seinen getreten war, sie gegrüßt und ihnen der Geist eingehaucht hatte, damit sie in alle Welt ziehen – hinaus und weg aus ihrer engen Angstbehausung. Thomas fehlt dieses Ereignis, er soll sich mit dem Hörensagen begnügen und soll allein auf den Bericht der anderen hin trauen und glauben. Aber Thomas begnügt sich nicht, ob er nicht anders will oder nicht anders kann, das ist erst einmal nicht zu entscheiden.

Er rebelliert und klagt einen Beweis ein: erst wenn ich Christus mit den Zeichen seines Leidens leibhaft vor mir sehe, erst dann werde ich eure Osterbotschaft glauben, erst dann glaube ich, daß Jesus, unser Herr, aus dem Tode auferweckt worden ist.

Und weil Thomas so rebelliert und bei seinem Unglauben bleibt, bis Christus selbst ihn eines Besseren belehrt, deshalb galt durch alle Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag Thomas als Personifikation des starrsinnigen und also ver­werflichen Unglaubens – „du ungläubiger Thomas, du“.

Seine Presse war und ist schlecht, und es wird Zeit, das zu beenden, und dem Skeptiker Rehabilitation angedeihen zu lassen.

Daß Thomas so übel beleumundet ist, liegt vor allem auch an dem letzten Satz, mit dem unser Predigttext schließt. Da nämlich sagt Jesus:

      „Selig sind die, welche nicht gesehen und doch geglaubt haben“.

Unter der Hand wurde das immer so verstanden, als ob selig nur die seien, die glauben können, ohne schauen zu wollen, und entsprechend schimpflich die zu nennen seien, für die zum Glauben auch das Sehen gehört.

Vielleicht nehmen wir als erste Lektion für heute mit, daß es insgesamt nicht gut ist, von der Seligkeit der einen auf die Verwerfung der anderen kurz zu schließen. Jesus preist diejenigen selig, die ihm treu sein können und nachfolgen wol­len, obgleich sie ihn selbst nicht mehr gesehen haben – so sind ja alle Spätergeborenen und also auch wir mit ihm dran. Er bricht aber nicht den Stab über die, für die der Glaube etwas sehr Konkretes ist, etwas, das mit all unseren Sinnen und mit unserem Leib zu tun hat. Der leibhaft Erstandene verwirft solchen Glauben gerade nicht, womit wir nun endlich dahin gelangen, dem vermeintlich so ungläubigen Thomas Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

 

Liebe Gemeinde,

ich habe Ihnen für heute ein Blatt aus einem Perikopenbuch mitgebracht, um 1140 entstanden und Eigentum von St. Erentrud in Salzburg.

Das Bild zeigt uns die Szenerie unseres Textes. Im Innenhof einer Klosteranlage stehen übergroß zwei Gestalten, links der Jünger Thomas, rechts Christus.

Etwas kleiner und nur mit Haupt und Oberkörper abgebildet, sind links hinter dem leicht sich vorbeugenden Thomas zwei weitere Jüngergestalten zu erkennen.

Den drei Jüngern eignet ein farbiger Nimbus, während der – nur sehr schwer zu sehende – Kreuznimbus Christi transparent für den erdhaften Hintergrund des Hofes ist. Die zwei bartlosen und deutlich jüngeren Männer links schweben etwas haltlos – so ohne Bein und Fuß – hinter Thomas, der mit seinen beiden Beinen fest auf der Erde steht. Nicht mehr ganz so erdbodenfest steht ihm Christus gegenüber, immerhin ein Fuß noch ganz auf der gleicher Linie mit Thomas, der andere auswärts gerichtet will wohl schon woanders hin.

Beide, Christus wie Thomas, haben ein bärtiges Antlitz, sie sind mit Blick und Gestik deutlich aufeinander bezogen, zwischen ihnen begibt sich das Entscheidende.

Ausgestreckte Arme, die einander entsprechen und das Maß von Distanz und Nähe aufrichten. Der rechte Arm Christi, bis über das Haupt des Thomas ausgestreckt, eröffnet den Raum für die Ermunterung und Aufforderung, die Christus an Thomas ausspricht: „Reiche deinen Finger hierher und siehe meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie mir in die Seite...“ (Joh 20, 27).

Und Thomas entspricht der Aufforderung und streckt seinerseits seine rechte Hand aus, den Auferstandenen zu berühren, ja, in sein Fleisch zu greifen, die offene Seitenwunde. Damit zeigt das Bild aus unserem Perikopenbuch etwas, was der Predigttext verschweigt. Wir hören nur von Christi Wort an Thomas, nicht aber, daß Thomas dem Wort auch nachkam.

Aber vielleicht ist das jetzt nicht so wichtig; wichtig ist vielmehr das:

aus dem Skeptiker und Zweifler Thomas wird nun der, welcher bekennt und laut ausruft:

     „Mein Herr und mein Gott“,

denn ihm ist G“ttes Lebendigkeit leibhaft wirklich entgegengetreten, eine Lebensbejahung und eine Lebenskraft, von der er bisher nur gehört hatte, nun aber sieht er sie vor seinen skeptischen Augen, sie begegnet ihm in dem Leib Jesu, der die Spuren der Tortur und des Todes an sich, in sich trägt. Mit diesem sei­nem so gezeichneten Leib nämlich bezeugt Jesus, daß G“ttes Lebendigkeit sich nicht apart hält, vielmehr an gequälten und totverfallenen Leibern handelt – wie jetzt an Christus, so dereinst an allen.

 

Thomas hat noch einen zweiten Namen; er heißt Didymus, das be­deutet übersetzt „Zwilling“. Zwillinge sind einander ähnlich, manchmal bis zur Verwechslung ähnlich und also ununterscheidbar. Thomas der Zweifler, der Ungläubige, er ist auch ein Glaubender und ein wunderbar Bekennender.

Schauen wir deshalb noch einmal auf seinen vermeintlichen Unglauben, es möchte doch so einiges an Glauben und Bekenntnis darin stecken.

Denn was fordert er denn gegenüber seinen Freunden, die da behaupten, den Herrn gesehen zu haben? Er will sie vor einer tückischen Illusion bewahren, davor, nur ein Gebilde ihrer Phantasie geschaut zu haben – denn:

Menschen, die Angst haben und eingezwängt beieinander hocken, die neigen manchmal zu solchen Phantasien. Er will sie und sich aber auch vor  Wundertätern, Magiern und falschen Messiasgestalten bewahren, derer es zur Zeit Jesu – und später auch – etliche gab. Er begehrt nicht irgendeinen Herrn zu sehen, er sehnt sich nach seinem Herrn, der in den Tod mußte. Er liebt nicht nur so über­haupt das Leben, sondern das, welches dem Tod abgerungen wurde.

Und er ist Realist genug, daß das neue Leben noch vom alten Leiden gezeichnet bleibt, auf daß die Welt wisse, es ist zwar schon einiges, aber noch lange nicht alles vollbracht. Deshalb beharrt Thomas auf den Malen der Kreuzigung, ohne die er nicht zum Glauben bereit ist. Darin ist er Christus so überaus treu und folgt ihm nach; und seinen angeblichen Unglauben, den hat er von Jesus gelernt.

Denn der sprach zwar auch so übertragen und allgemein von Blindheit und Nicht-Sehen-Können, heilte aber doch ganz konkret leibhaft Blinde. Der redete in Gleichnissen vom Tempel und sagte, er würde den Tempel in drei Tagen wiederaufbauen; da meinte er konkret seinen Leib, der nach drei Tagen wiedererstehen würde. Und diesen Leib zeigt er seinen Freunden, als sie am Ostersonntag-Abend in Angst beieinander sitzen, er zeigt ihn mit Malen und offener Seite – ganz so, wie ihn Thomas dann zu sehen begehrt.

Ja, und wir nun?  Wir mit unserer manchmal grauen Skepsis und unserem nicht so weitlangenden Vertrauen, weil es nie über den Unglauben ganz hinausgelangt.

Wenn es hoch kommt, so sehnen wir uns wie Thomas nach der Begegnung mit dem lebendigen Herrn, nach seiner Nähe und danach, daß er zu uns sprechen möge. Aber anders als Thomas sind wir Nachkommenden von der Seligkeit ausgeschlossen, den Auferstandenen mit eigenen Augen zu sehen.

Was uns bleibt, ist sein Wort und die demütige Bitte, ihm zu trauen und zu glau­ben. Sie zu erfüllen, steht bei dem, der vom Vater kommend uns anbläst und sagt: „Empfanget den Heiligen Geist!“ Dann sind wir selig.

Amen.


 

Joh 20, 19-29

19 Als es nun Abend war an jenem Tag, dem ersten der Woche, und die Türen, wo die Jünger waren, aus Furcht vor den Juden verschlossen waren, kam Jesus und trat in die Mitte und spricht zu ihnen: Friede euch!
20 Und als er dies gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und die Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.
21 Jesus sprach nun wieder zu ihnen: Friede euch! Wie der Vater mich ausgesandt hat, sende ich auch euch.
22 Und als er dies gesagt hatte, hauchte er sie an und spricht zu ihnen: Empfangt Heiligen Geist!
23 Wenn ihr jemandem die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben, wenn ihr sie jemandem behaltet, sind sie <ihm> behalten.
24 Thomas aber, einer von den Zwölfen, genannt Zwilling, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.
25 Da sagten die anderen Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen das Mal der Nägel sehe und meine Finger in das Mal der Nägel lege und lege meine Hand in seine Seite, so werde ich nicht glauben.
26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger wieder drinnen und Thomas bei ihnen. <Da> kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und trat in die Mitte und sprach: Friede euch!
27 Dann spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!
29 Jesus spricht zu ihm: Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig <sind>, die nicht gesehen und <doch> geglaubt haben!
 

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