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Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war
und der da kommt.

 

Joh 16, 5-15
Die Übersetzung folgt derjenigen von Ton Veerkamp, „der Abschied des Messias“, in TuK 95/96 3-4/2002

5  Nun gehe ich hin zu Dem, Der mich geschickt hat,

    und niemand von euch fragt mich: „wohin gehst du.“

6  Aber weil ich das zu euch gesagt habe,

    hat Schmerz euer Herz erfüllt.

7  Aber ich, der Treue entsprechend, ich sage euch:

    Es ist für euch nützlich, daß ich weggehe.

    Denn wenn ich nicht weggehe, wird der Anwalt nicht zu euch kommen;

    wenn ich gehe, werde ich ihn zu euch schicken.

8  Jener kommt und klagt die Weltordnung an,

    - was die Verirrung betrifft,

    - was die Bewährung betrifft,

    - was das Recht betrifft.

9   Einerseits zwar, was die Verirrung betrifft:

     daß sie mir nicht vertraut haben;

10 andererseits aber, was die Bewährung betrifft:

     daß ich zum Vater hingehe, und ihr mich nicht mehr in Betracht zieht;

11 aber auch, was das Recht betrifft:

     daß das Herrschende der Weltordnung abgeurteilt ist.

12 Noch viel habe ich euch zu sagen,

     aber ihr seid nicht fähig, es jetzt zu tragen.

13 Wenn jene aber kommt, die Inspiration der Treue,

     wird sie euch auf dem Weg führen mit ganzer Treue.

     Sie wird nicht von sich selbst aus reden,

     sondern was sie hören wird, das wird sie reden,

     und das Kommende:

     sie kündigt es an.

14 Jene wird mich ehren,

     denn sie wird von mir empfangen,

     und sie kündigt es euch an.

15 Alles was dem Vater gehört, ist auch mein;

     deswegen sagte ich euch, daß sie von mir empfängt,

              und sie kündigt es euch an.

 

Liebe Gemeinde!

Könnten Sie mit dem Wort „traurigfroh“ etwas anfangen? Eine Stimmung so zwischen zwei Extremen, dem der Trauer und dem der Freude? Die von beiden etwas nimmt und doch noch ein Eigenes ist?

Jesus geht weg und wird die Seinen verlassen; er sagt es ihnen, nicht zum ersten Mal, nicht zum letzten Mal. Was er sagt, verursacht Schmerzen. Er weiß es, und auch das sagt er ihnen. Noch ist man beisammen und hat sich. Und wer liebt, möchte in der Liebe und mit dem Geliebten bleiben; fürs Erste sind das zwei selbige Dinge: die Liebe und das Geliebte, und das Bleiben der Liebe und das Bleiben des Geliebten. Erst später, wenn wir Abschied nehmen müssen und die Trauer erleiden, lernen wir mit der Trennung vom Geliebten auch dies zu trennen: die Liebe und den Menschen, an den wir unsere Liebe wenden.

Wir lernen, daß, um in der Liebe zu bleiben, wir nicht allezeit mit dem Geliebten bleiben müssen. Bleiben und Treue währen fort, auch ohne den Menschen, mit dem wir uns das gewannen: zu bleiben und treu zu sein.

 

Jesus kündigt seinen Weggang an, und das Herz seiner Freunde füllt sich an mit Schmerz. Es ist so randvoll damit, daß kein Platz mehr darin ist, eine Frage aufsteigen zu lassen:

Wohin gehst du denn?

Stattdessen stellt Jesus die fehlende Frage. Und dann nimmt er die Seinen weg von der Stelle, da nur Traurigkeit ist, und bringt sie fort. Und in die Schwebe.

Dorthin, wo die Trauer an die Freude rührt, kaum merklich, dorthin, wo der Schmerz des Verlierens in die Hoffnung des Erwartens übergeht. Dorthin ins Zwischen des „traurigfroh“, wo ein Gehen und ein Kommen ist.

Jesus sagt etwas Ungeheures, er sagt:

„Es ist nützlich für euch, daß ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, wird der Anwalt nicht zu euch kommen.“

Er mutet seinen Geliebten also zu, in seinem Abschied und in ihrer Verlassenheit etwas zu erkennen, das für die Seinen gut und nützlich ist.

Wie ist das gemeint?

Etwa im Sinne einer Drehtür-Theologie, derzufolge eines weggeht, um sogleich ersetzt und deshalb ein wenig verändert wiederzukommen?

Daß jedes Ding und jede Person Platzhalter eines Anderen, Ding oder Person, sei? Wo ich bin, könnte doch es sein oder noch anderes zu wieder anderer Zeit?

Oder regiert hier die Binsenweisheit, Neues könne nur kommen, wenn das Alte weichen würde?

Das Gute aber, das Jesus im Blick hat, ist von anderer Art. Es ist zugleich etwas Ungeheures, denn es hat mit G“tt selbst zu tun.

Jesus nimmt Abschied und darin erfahren die Freunde Jesu G“tt. Sie erfahren: G“tt ist Der, Der ihnen Jesus nimmt, um diesen ganz zu sich zu holen. Sie erfahren: Jesus ist einer, den sie an G“tt verlieren können.

Der, je näher er dem Vater kommt, desto größeren Abstand zwischen sich und die Seinen setzt.

Verlassen zu werden, zurückzubleiben und zu verlieren, nicht nur ist es die Weise, wie wir Menschen menschlich sind, es ist auch die Weise, wie G“tt für uns G“tt ist. Die Jüngerinnen und Jünger Jesu erfahren es durch ihn, der weggeht.

 

Und auch mit uns, der pfingstlichen Gemeinde, passiert etwas. Wir waren doch so hochgestimmt und in Erwartung zu hören, wie G“ttes Geist die ganze Welt und uns begeistert, wie Sein Feuer uns enflammt und brennen macht. So ganz auf Anfang waren wir gestimmt und in Festfreude, den Geburtstag der Kirche zu feiern – wie es das landläufige Verständnis des Pfingstfestes ja ist.

Nun aber hat uns Jesu Wort zurückgeführt, aus der reinen Anfangsfreude weg dorthin, wo die Abschiedstraurigkeit an die Freude rührt und sie eindunkelt, dorthin, wo nicht nur Kommen, sondern auch Gehen ist.

So halten wir uns mit den Freunden Jesu gleichzeitig, jetzt wie sie in der Schwebe eines „traurigfroh“.

Und es ist gut und nützlich auch für uns, dorthin geführt zu werden. Wir wüßten anders nicht, wozu der Geist G“ttes käme. Ich meine: zu wem und zu welchem Zweck.

Auch das ist zu erinnern: zum Vater zu gehen, heißt zuvor in den grausigen Tod des Kreuzes zu gehen. Am Schandkreuz Roms verenden alle Hoffnungen, G“tt und Sein Messias würden im Triumphzug über die Weltordnung siegen.

Stattdessen: ausbleibende Gegenwehr, Schwachheit in Solidarität mit allen Schwachen, Niederlage – und die Welt macht weiter wie bisher und als wäre nichts geschehen. Und gerade an diesen G“tt und Seinen Messias hängen wir uns. So erleiden wir Seine Schwachheit mit und werden von ihr getroffen.

Zunächst geht es den Jüngern und Jüngerinnen so. Nach Jesu Tod bleibt seinen Anhängern der Ausschluß aus der Mehrheitsgesellschaft, weder jüdisch noch römisch. Randfiguren, im Abseits, aber gefährdet. Dort machen sie G“tteserfahrungen: Minorität zu sein, verlassen zu sein. Und es sind die G“ttverlassenen und von G“ttes Schwäche Getroffenen, zu denen der Anwalt kommt, sie zu trösten, sie zu begleiten. Erstmals stellt sich überhaupt wieder die Frage nach einem Wohin. Denn erstmals wieder tun sich Wege auf, die zu gehen sind.

Wer aber den Schmerz und den Tod der G“ttverlassenheit nicht erlitten hat, wie sollte der des Trostes bedürfen sein. Mit dem uns G“ttes Geist tröstet: daß G“ttes Lebendigkeit den Sieg behalten habe.

Wer unempfindlich gegen Verluste ist, wie könnte den die österliche Botschaft berühren, die das gerettete Leben bezeugt, Leben, das aus dem Tod gerettet wurde.

Und wer sein Vertrauen nicht an Den wagt, dessen Handeln an uns und der Welt auch scheitern kann, der glaubt vielleicht an einen Götzen des eigenen Sicherheitsbedürfnisses, nicht aber an den G“tt  Israels und Vater Jesu Christi.

Jetzt aber kommt der g“ttliche Anwalt, den Christus geschickt hat.

Beistand und Rechtsanwalt für die einen, Staatsanwalt und Richter für die anderen.

Und seien wir vorsichtig: es ist nicht ausgemacht, daß wir immer auf die Seite der einen gehören, die Welt aber auf die Seite der anderen.

Sehr oft sind wir von dieser Welt und dann tun wir das, was sie tut:

wir gehen in die Irre, denn wir vertrauen nicht. Stattdessen Gang in die völlig falsche Richtung. Wir suchen das Unsrige in Sicherheit zu bringen. Unsere Anhänglichkeit an G“tt besteht die Probe nicht und wir kennen „den da“ nicht mehr, wenn´s eng wird. Vertrauen aber wäre doch genau das: zu G“tt zu gehen und G“tt nachzufolgen, in Seiner Not. Nicht nur, wenn wir in Nöten sind.

Und wieder anders sind wir auf solche Weise ganz von dieser Welt:

Indem wir uns an Führer, auch religiöse Führer klammern, statt mit dem Weggang Jesu endlich mündig zu  werden, gerade auch religiös.

Unmündig bleiben wir, solange wir damit noch rechnen, es gäbe in der g“ttlichen Reserve einen Retter, der uns in unseren geschichtlichen Nöten hülfe.

Solches zu verlernen, auch dazu ist Jesus gegangen. Damit wir uns bewähren, auch ohne ihn, und ihn nicht länger in Betracht ziehen. Damit wir erwachsen werden: die personale Fixierung auf Jesus lassen wir, die messianische Hoffnung aber behalten wir. Wir können das, mit Geist, nicht dem unsrigen, sondern mit dem, den uns Christus schickt.

Wie Paulus es sagt: Wo der Geist Christi ist, da ist Freiheit.

Und zuletzt sind wir so ganz von dieser Welt:

wenn wir uns mit der Weltordnung gemein machen, obgleich sie bereits abgeurteilt und vergangen ist. Ihrer Gewalt tut das keinen Abbruch. Darin ist sie wie der Tod; der hat auch schon sein Recht verloren, aber er frißt weiter.

Wir gehorchen der Weltordnung auch und gerade dann, wenn wir sie zu bekämpfen trachten. Wenn wir Gewalt gegen Gewalt anrennen lassen, wenn wir mit unserem Triumph ihre Siege überbieten wollen, wenn unsere Ohnmacht gegen ihre Macht wütet.

Es könnte geistvoll sein, die Ordnung der Welt stattdessen auf sich beruhen zu lassen und ihr all unsere Kraft zu entziehen. Vielleicht fällt sie dann wirklich in sich zusammen, so wie sie es rechtens schon getan hat.

Jetzt aber kommt der Geist, die Inspiration der Treue.

Treu zu sein, das ist: anhänglich zu sein, zu bleiben an und bei dem, welcher guttut und gut ist. Beständig, inständig.

G“tt ist so treu. Nicht zuletzt in der Weise, sich selbst treu zu bleiben. Jesus ist auch so; er hat es vom Vater. Und gibt es uns weiter, inspiriert uns mit g“ttlicher Treue.

G“tt und Jesus sind einander treu, immer schon.

Deswegen war Jesu Leben mit seinem Tod nicht abgegolten; deswegen ließ G“tt ihn nicht im Tod, sondern holte ihn da heraus und wieder ins Leben, in G“ttes Leben. Dort in diesem Leben bleibt er nun, für immer.

Was die Welt in die Abgegoltenheit, sei es des Todes oder der Vergangenheit, wegstößt, das holt der Geist der Treue wieder; zurück ins Leben und in die Gegenwart. Erinnerung ist so; bereits unsere menschliche, wieviel mehr aber die G“ttes. Denn Seine Kraft ist die Auferweckung der Toten.

Von dieser Kraft gibt der auferweckte Christus uns, auf daß wir uns erinnern.

Und aller Welt erzählen und bezeugen, was G“tt getan hat und nicht zu tun aufhört. Wielange schon Sein Rettungshandeln unterwegs ist, vom ersten Tag der Schöpfung an.

Im Geist der Treue erzählen wir das; wir gehen zurück und holen wieder. Wir wiederholen, immerzu. Die Welt mag denken, daß wir ihr und der Zukunft so den Rücken zukehren. Aber das stimmt nicht.

Wir gehen vielmehr vorwärts, denn wir entfalten aufs Neue, was G“tt und Jesus taten. Altes hat Zukunft; und nichts, was G“tt tat, ist vergänglich vergangen. Denn nichts, was G“tt tut, kann den Tod der Bedeutungslosigkeit sterben.

Die jüdischen Weisen sagen es so:

„Hast du das Alte gehört, so wirst du auch das Neue hören, wendet sich aber dein Herz vom Alten weg, so wirst du nichts mehr hören“ (bBer 40a).

Wir gehen übrigens nicht allein, sondern an der Seite Israels.

Daß G“tt treu ist, zeigt sich, zeigt Er an Seinem Volk. Von Anfang an und bis auf den heutigen Tag. Denn es lebt und bleibt am Leben, so ewig wie der Sohn dieses Volkes, unser Herr.

Und nun hat uns doch noch die Freude des Geburtstagsfestes gepackt, mit der wir uns unserer Kirche freuen und dessen, daß sie nicht sterben wird.

Oder wie es unsere Alten der Reformation sagten:

„daß alle Zeit müsse eine heilige christliche Kirche sein und bleiben“ (CA VII).

Sie ist und bleibt, um G“ttes Treue zu bezeugen. Und wie sie G“ttes Treue zu Israel lobt und bezeugt, so ist sie auch selbst vom treuen G“tt getröstet.

Amen.

 

Und der Friede G“ttes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre
unsere Herzen in Christus Jesus.

Amen.

 

Liturgie


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