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"Ich gehe weg zum Vater ..."

 Predigt zu Joh 16,
vv 16-22

 

 

Brigitte Gensch

 

G-ttesdienst für den 17.04.05, "Jubilate"
in der KG Efferen

El Greco: Auferstehung Christi

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war
und der da kommt.

 

Joh 16, 16-22

16 Eine kurze Zeit, so seht ihr mich nicht mehr, und wiederum eine kurze Zeit, so werdet ihr mich sehen.

17 Da sagten einige von seinen Jüngern zueinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Eine kurze Zeit, so seht ihr mich nicht, und wiederum eine kurze Zeit, so werdet ihr mich sehen, und: Ich gehe hin zum Vater?

18 Sie sagten nun: Was bedeutet das, was er «die kurze Zeit» nennt? Wir wissen nicht, was er redet.

19 Jesus merkte, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Darüber verhandelt ihr miteinander, dass ich gesagt habe: Eine kurze Zeit, so seht ihr mich nicht, und wiederum eine kurze Zeit, so werdet ihr mich sehen ?
20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und wehklagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit wird zur Freude werden.

21 Wenn die Frau gebiert, hat sie Traurigkeit, weil ihre Stunde gekommen ist; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt geboren ist.

22 Auch ihr nun habt jetzt Traurigkeit; ich werde euch aber wiedersehen, und euer Herz wird sich freuen, und eure Freude nimmt niemand von euch.

 

Wo aber, liebe Gemeinde,

ist denn nun unser lautes Halleluja, unser befreites G“tteslob und Jubilieren, heute am Sonntag, an dem wir gehalten sind zu jubilieren: Jubilate, jubelt?

Unser Jauchzen, ohne alles „Doch“ und „Dennoch“, ohne „ja, aber“ und was sonst noch uns fesseln und uns zurückbinden könnte?

Wo ist denn nun das Neue, das alle Einsprüche der Vergangenheit vergehen läßt,

weil alles Alte vergangen ist? „Denn siehe: Neues ist geworden, das Alte ist vergangen“?

 

Wo ist das nun,

da Jesus  geht, weggeht? Und mit ihm wird die Freude mitgehen und die Seinen ver­lassen. Sie werden ihrer Traurigkeit überlassen sein, ohne ihn und nur mit der Welt. Die aber wird feixen und gleichgültig sein. So wird es kommen; er sagt es ihnen.

Er sagt es uns. Und unsere österliche Freude trübt sich. Die Schatten der Vergangen­heit kommen wieder und wollen das neue Licht auffressen, das Licht des Ostermor­gens, das Licht des Sonntages wie jedes neuen Schöpfungstages.

Jesus geht und führt uns abwärts, dorthin, wo uns schwer ums Herz wird.

Jesus geht und führt uns zurück, dorthin, wo wir schon wanderten, in das Tal der To­desschatten, dort am Fuße des Berges mit den drei Kreuzen. Zurück in die Zeit des Abschiedes, zurück in die Zeit vor Ostern, vor Karfreitag und noch weiter zurück.

Noch ist man beieinander und hat sich. Und wenn man einander liebt, möchte man doch miteinander bleiben, nicht wahr? In das Beisammen-Sein hinein spricht Jesus davon, daß sie sich trennen werden. „Ihr werdet mich nicht mehr sehen“, Verlust des Sichtkontaktes also, „Ihr werdet mich aus den Augen verlieren“.

Dorthin, wohin er geht, kommen die Seinen nicht nach, weder mit Blicken noch sonst; dort, wo er sein wird, können sie nicht sein. Unerreichbar wir er ihnen sein, ganz und gar entzogen. Unwiederbringlich weg, zunächst und eine Weile.

Was Wunder, daß Jesu Freunde das nicht verstehen. Ratlosigkeit, Verständnislosigkeit befällt sie, hält sie fest, verknotet sie miteinander. So sehr, daß sie es nicht einmal schaffen, sich mit einer Frage nach außen und an ihn zu wenden. Jesus bemerkt ihre Fraglosigkeit und gibt ihnen ihre Frage zurück, wie ein Spiegel, wie ein Therapeut. Sie werden ihrer Frage ansichtig, und so entwirrt sich ihre Verwirrung auf eine erste Weise.

 

Liebe will bleiben und Liebende wollen beieinander sein, versprochenerweise mindes­tens bis zum Tod.

„Weh spricht: vergeh!  /  Doch alle Lust will Ewigkeit“,

sagte der Philosoph Friedrich Nietzsche einmal. Nun, das mit dem Ewigkeitswillen der Lust, das verstehen wir unmittelbar, aber wie steht es mit der Liebe? Will auch sie im­mer dasselbe und sich selbst, für alle Ewigkeit?

Wir wissen es anders; daß sie nämlich nicht das Ihrige will, vielmehr alles erträgt. Auch den Abschied, auch das Gehen und Weggehen. Sie kann auch gar nicht anders, wenn es für den Geliebten so besser ist.

Jesus sagt den Seinen, was für ihn das Beste ist: er wird zum Vater gehen. Dorthin, von wo er kam und wo er ganz zuhause ist.

Seine Freunde verstehen das nicht, noch nicht, denn sie haben ihre Traurigkeit noch nicht. Wenn aber die Trauer kommt, werden sie es lernen:

wie die Liebe ist, die nicht das Ihrige, sondern das Seinige, das des Geliebten will.

Deshalb liegt auch für die Jünger etwas Gutes darin, daß Jesus geht. Sie erfahren darin G“tt. Sie erfahren: G“tt ist Der, Der ihnen Jesus nimmt, um diesen ganz zu sich zu holen. Sie erfahren: Jesus ist einer, den sie an G“tt verlieren können.

Der, je näher er dem Vater kommt, desto größeren Abstand zwischen sich und uns setzt. Über den Abstand hilft kein Hinterhersehen, über den Abstand hilft nur der Glaube. Verlassen zu werden, zurückzubleiben und zu verlieren, nicht nur ist es die Weise, wie wir Menschen menschlich sind, es ist auch die Weise, wie G“tt für uns G“tt ist. Wir, die Jüngerinnen und Jünger Jesu erfahren es durch ihn, der weggeht. Wir ler­nen es: den Geliebten an G“tt loszugeben und doch Kontakt zu halten, Glaubenskon­takt. Anders kommt Jesus nicht zu uns zurück, anders begegnet er uns nicht wieder. Begegnung bedarf auch der Losgabe, anders wird sie uns zu Zeiten nicht. Weder dies­seits noch jenseits des Grabes, ich meine des leeren Grabes zu Ostern. Auch der trauernden Maria, sagt der auferweckte Jesus, nachdem sie ihn erkannt hat: „Halte mich nicht fest!“

Und für heute und ins Diesseits des vorösterlichen Beisammen spricht er:

„Ich gehe weg zum Vater; und nach einer kurzen Weile werde ich von dort wieder­kommen.“

Wie souverän er das sagt, wie frei er gegen Raum und Zeit ist. Noch ist nichts voll­bracht, aber er schaut schon durch seinen Tod hindurch und übers Grab hinaus. Aus seiner Zukunft kommt er zurück und erzählt den Seinen, wie es geschehen wird. So tröstet er sie. Er bringt das österliche Leben unter sie; er, der Totgeweihte, lebt schon aus der österlichen Freude, die er ihnen mitteilt.

Die er uns mitteilt. Nach Ostern sind wir und leben doch vor Ostern, immer wieder, immer noch. Der Tod ist so gegenwärtig wie er Zukunft hat, wer könnte das bestreiten.

Und doch entzünden wir unser Licht am österlichen Licht, schon jetzt.

Ich werde ins KH gerufen, denn ein Mensch, den ich begleitet habe, ist gestorben. Zur Aussegnung nehme ich eine Bibel, ein kleines Kreuz, ein Gebetbuch und eine kleine Kerze mit. Im Zimmer entzünde ich das Licht.

Woher ich es nehme, das Licht? Von Ostern nehme ich es, wirklich und einzig daher, aus G“ttes Wirklichkeit des von jedem Tode befreiten Lebens.

Das leuchtet dann in der Gegenwart des Toten und den Angehörigen zum Trost, und auch mir. Das macht den Raum hell, trotz der Gegenwart des Todes und in seine Zu­kunft hinein, die er sich immer noch nimmt. Über dessen Zukunft hinaus bis dorthin reicht es, wo Christus uns entgegenkommt.

 

Weit sei die Strecke nicht und lange müßten wir nicht warten, so hat er es uns verspro­chen. Zwischen Gehen und Kommen trete nur eine kurze Weile, und unsere Trauer würde zur Freude, ohne Frage, ohne alle Frage.

Aber selbst eine kurze Weile kann sich zur Ewigkeit dehnen, und ein geringer Abstand zum klaffenden Abgrund werden, unüberbrückbar. Wie komme ich denn von hier nach da, von jetzt nach gleich, ohne zu straucheln und ohne abzustürzen? Was trägt mich denn über die Weile, in der ich von Jesus und von G“tt verlassen bin?

Nur mein Glaube, der mich trauern und der mich hoffen läßt. Denn die Trauer bleibt dem Verlorenen treu, gerade da, wo sie es nicht festzuhalten trachtet.

Und ohne die Treue gegen das, was nicht mehr ist, und gegen den, der nicht mehr ist, weiß auch die Hoffnung nicht so genau, auf wen und worauf sie hoffen soll.

Es ist der Schmerz des Verlustes, der unsere Hoffnung präzisiert, genau macht. Und es ist die Hoffnung, die davor bewahrt, im Schmerz zu vergehen.

 

Jesus geht; wir aber bleiben an ihm hängen, mit unserer Trauer und mit unserer in­ständigen Erwartung, daß er komme, bald. So wird uns die Zeit zur Kurzweil.

Die Welt aber hat keine Trauer und keine Hoffnung, nur Feixen und falsche Freude. Wir gehören zur Welt, immer dann, wenn wir uns unempfindlich gegen Verluste ma­chen; wenn wir übers Gegebene hinaus nichts mehr erwarten. Immer dann sind wir ganz von dieser Welt. Und die Zeit hier wird uns lang und zur Ewigkeit.

Es ist gut für uns, daß Jesus geht, denn wir lernen daran zu trauern und zu hoffen. Zuletzt können wir beides nur Kraft des Geistes, den er uns zu senden versprochen hat. Der tröstet uns und hilft, unsere Seufzer zu formen, und wenn wir nicht wissen, wie wir beten sollen.

 

Und endlich wird er kommen, wiederkommen. Und dann wird Freude sein, ganz rein und ohne allen Falsch. Ein Jauchzen und Jubilieren, ohne jede Trauer – wie über ein Neugeborenes, wie über ein neues Leben.

Amen.

 

Und der Friede G“ttes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre
unsere Herzen in Christus Jesus.

Amen.

 

Liturgie


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17.04.2005

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