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Renoux JerusalemKanzelgruß: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war,
der da ist und der da kommt!

Liebe Gemeinde!
Freut euch - denn Boten sind unterwegs, die bringen gute Mär. Flink sind sie, ihr Schritt und Gang ist beflügelt, denn sie bringen eine Freudenbotschaft. Sie kommen von weit her, aus Babylon nämlich. 1000 Km und etwas mehr mußten sie laufen, um nach Jerusalem zu kommen.
Behende erklimmen sie die Hügel und Berge der Stadt, von Ermattung keine Spur. Auf leisen Sohlen laufen sie, anmutig bewegen sie sich, lieblich sind ihre Füße. Ihre ganze Erscheinung ist von entwaffnendem Charme, denn sie sind Boten des Friedens.
Die Botschaft formt sich ihre Boten; so ist für den harten Stechschritt, den lauten Marschtritt und für das Stampfen von Springerstiefeln hier kein Raum.
Unsere Boten sind schon längst gesichtet worden. Die Wächter der Stadt haben sie bereits erblickt.
Die Späher hocken auf den Trümmern der Stadtmauern; auf den Ruinen der Tore und Türme halten sie Wacht und Ausschau. Sie spähen, was und wer in die Stadt kommt. Und was sie erspähen, das verkünden sie den
Stadtbewohnern. Ehemals standen die Wächter aufrecht auf den stolzen Mauern und Türmen der Stadt - damals, als Jerusalem noch unzerstört und der Mittelpunkt von Israel war. Nun hocken sie auf den Trümmerbergen, mühsam nur können sie sich festhalten. Ihre Aufgabe ist geblieben: weiterzusagen und laut zu verkünden, was und wer auf Jerusalem sich zubewegt.

Unsere Boten der guten Mär also hat das Auge der Wächter erfaßt, jetzt aber hören sie auch die gute Botschaft: „Friede wird sein - Gutes ist unterwegs - der Zion, da wo G"tt einst wohnte - Zion wird befreit werden. All das wird bald, sehr bald geschehen, denn dein G"tt ist König geworden."
Was die Wächter hören, schärft ihren Blick. Ihre scharfen Augen holen das Entfernte in die Nähe, ganz nahe kommt so das Feme: dort, weit weg in Babylon; dann einmal, weitweg in der Zukunft.
Jetzt, im Nahbereich, Auge in Auge erkennen sie genau, wovon die guten Boten sprechen. Sie sehen, wie sich Menschen aus Babel aufmachen und aus der riesigen Stadt ausziehen. Es sind Nachkommen derer, die vor vielen Jahren, vor 2-3 Genrationen hier aus Jerusalem weg dorthin nach Babel verschleppt wurden.
Eine große Menschenmenge setzt sich in Bewegung. Jerusalem lautet das Ziel ihres Aurbruches und Auszuges.

Und mehr noch sehen die Späher: G"tt selbst setzt sich in Bewegung. Die Zeit, da Er trauernd sich aus dem politischen Handeln zurückzog, die Zeit Seines Ruhens ist vorbei. Der Ewige entblößt Seinen Arm, den starken, heiligen Arm. mit dem Er schon einmal Sein Volk befreite und erlöste, damals, als Ägypten es versklavte.
G"tt krempelt die Ärmel hoch. Er räumt weg, was Seinem Volk im Weg liegt. Alles, was es zum Stolpern bringen könnte, all die Stolpersteine einer traumatisierten Vergangenheit wälzt er beiseite. Behütend, schützend und richtungsweisend geht Er mit, ein lebendiger Schutzwall. Vorneweg, daß Israel nicht in die Irre gehe, hinterdrein, daß der Rücken nicht entblößt und schutzlos sei.
Bei Tag als Wolkensäule, des Nachts als Feuerschein - wie damals, als G"tt Sein Volk aus Ägypten herausführte. Und auch wieder nicht wie damals: denn nicht hastig überstürzt und ängstlich, sondern gelassen, wirklich frei-gelassen zieht man aus Babel nach Hause.
G"tt selbst, G"tt allein macht all das, denn G"tt ist König geworden. Er mischt sich wieder ein in die große Politik, ja Weltpolitik. Der Heilige kehrt um, Er kehrt aus dem Exil Seiner Ohnmacht und erzwungenen Ruhe nach Hause zurück, um von Seinem Heiligen Berge, dem Zion aus, Seine Herrschaft auszuüben. Mit G"tt ist wieder zu rechnen, es läßt sich wieder auf Ihn zählen — jetzt, da Er selbst umkehrt. Geräuschvoll geht das vor sich, alle Völker der Erde können und sollen es sehen.

So sehen es die Wächter. Und was sie sehen, das macht sie jauchzen. Alle zusammen erheben sie ihre Stimme und jubeln, keiner bleibt da zurück. Gleich geben sie ihre Einmütigkeit und ihren Jubel weiter; sie rufen den Trümmern und Ruinen Jerusalems zu:
„Jauchzt auf, jubelt vereint, denn unser G"tt kommt, euch zu trösten und zu befreien."
Nichts und niemand soll da traurig zurückbleiben, kein falscher Ton, keine Dissonanz wird den Gleichklang eintrüben. In der Einmütigkeit ihres Singens scheint bereits auf, was G"tt den Trümmern tun wird: Er wird sie wieder zur Ganzheit zusammenrügen, Er wird Seine Stadt Jerusalem wieder aufbauen.
Ja, wenn das kein Grund zum Jubeln ist! G"tt nimmt sich der Trümmer an;
Er kommt:
# zu denen, die gebrochenen Herzens und zerschlagenen Gemütes sind - da fügt Er wieder zusammen, verbindet und heilt.
# zu denen, deren Denken und Fühlen ganz und gar ruiniert ist, weil sie immer und immer wieder an den Stolpersteinen einer leidvollen Lebensgeschichte sich wundstoßen; weil sie an all die zerbrochenen Hoffnungen, zerplatzten Träume, vertanen und verspielten Chancen sich festklammem und so dem Sog der Vergangenheit erliegen. Da räumt G"tt die bleischweren Steine der Vergangenheit beiseite und gibt den Weg frei.
Was da krumm ist und verbogen wurde. Er biegt es zurecht. Was da verloren ging und verloren gegeben wurde, Er bringt es zurück.

Liebe Gemeinde,
Sie wissen doch bestimmt, was Schalom heißt, nicht wahr?
Friede, ja gewiß. Aber genau besehen bedeutet das Wort „Vollständigkeit, Vollkommenheit, Ganzheit".
Deshalb lautet einer der G"ttesnamen, die die Rabbiner kennen, Schalom.
Das leuchtet doch auch unmittelbar ein. Wie wäre denn Frieden, wenn noch etwas oder jemand zurückbliebe und zurückgelassen würde. Wie wäre denn Schalom, solange kränkende und sogar tödliche Ungleichheit die Menschheit zerteilt: in Gebildete und solche, denen Bildung und Ausbildung vorenthalten wird; in Mächtige und Ohnmächtige; in Hungernde und Satte, in Arme und Reiche. Und schließlich: wie kann denn Frieden sein, wenn im Namen G"ttes fanatisierte Mörder sich und andere zerfetzen. Wie kann denn für G"tt Frieden sein, da G"tt gegen G"tt in den tödlichen Kampf geschickt und im Namen Allahs das G"ttesvolk Israel erneut bedroht ist, vertrieben und vernichtet zu werden.

Es ist also kein Frieden: auf Erden nicht, und in Israel erst recht nicht. G"tt kommt in unfriedliche Verhältnisse, wenn Er morgen zur Welt kommt, dort in Bethlehem, im Land Israel, in G"ttes eigenem Land, in „god's own country". G"ttes Land und G"ttes Stadt - Israel wie Jerusalem: heimgesucht und zerrissen von einem mörderischen Haß, den so auflodern zu sehen wohl kaum jemand mehr fürchtete.

Das aber müssen wir Christen wissen, die wir den Frieden lieben und uns auf ihn verpflichten lassen. Friede auf Erden wird erst sein, wenn G"ttes Land zu Seinem Frieden findet und Jerusalem eine Stadt ist, in der man in Frieden zusammenkommt.
Einmal schon, wenngleich nur kurz, herrschte solcher G"ttesfriede. Im Juni 1967 nach dem sog. Sechstagekrieg und nach 19 Jahren der Teilung wurde Jerusalem wiedervereinigt und die beiden feindlichen Hälften zu einer Ganzheit, zum Schalom zusammengefügt. Juden strömten in die arabische Altstadt, Araber fluteten in die jüdische Neustadt. Der Riß, der durch das Herz der Stadt gegangen war, ward geschlossen. Und vielleicht schloß sich in diesen friedlichen Tagen der Riß auch im Herzen G"ttes selbst.

Zum Schluß will ich Ihnen, liebe Gemeinde, eine kleine Geschichte erzählen, so eine rechte Engel- und Botengeschichte. Hugo Bergmann, Prof. der Philosophie an der Hebräischen Universität in Jerusalem ( sie liegt übrigens auf dem sogenannten Späherberg), Hugo Bergmann also ist Gast in einem New Yorker Hotel.
Er unterhält sich eines Abends mit dem kleinen Liftboy, einem farbigen Jungen.
Der fragt den Gast, woher er denn komme. Prof. Bergmann antwortet:
„Aus Jerusalem". Darauf beginnt der Junge zu lachen:
„Da ist ein Witz, Jerusalem liegt doch im Himmel."
Und erst als Bergmann dem Liftboy seinen Paß zeigt, in dem wahrheitsgemäß Jerusalem als Wohnort unseres Prof. angegeben ist, läßt sich der Junge überzeugen. Ganz ergriffen umfaßt er die Hände des Gelehrten und sagt: „Aber dann sind Sie ja ein Engel."
Der Boy in seiner kindlichen Einfalt konnte das himmlische und das irdische Jerusalem noch nicht so recht unterscheiden. Und Recht hatte er, jedenfalls weit mehr Recht als die dummen und weltfremden Theologen, die - ganz berauscht vom himmlischen Jerusalem - das irdische vergessen.

Fromme Beterinnen und Beter in Jerusalem wollen auch nicht so recht und sauber das Irdische vom Himmlischen scheiden. Sie üben nämlich folgenden Brauch. Zwischen die Quader der übriggebliebenen Westwand des zerstörten Tempels, der sog. Klagemauer, zwischen die Steinquader dieser Ruine stecken sie kleine Zettel, auf denen ihre Bitten aufgeschrieben sind. Die ganze Mauer dient so als eine Art G"ttlicher Briefkasten oder als G"ttliches Postamt:
Störungsfrei und prompt gelangt die Gebetspost von dort in den siebten Himmel, dorthin wo der Friede G"ttes wohnt. Besonders nah ist man G"tt dort an der Mauer, G"ttes Nähe wohnt in dieser Ruine.
Morgen kommt G"tt auch uns nahe, denn morgen kommt der Friedefürst und König der Juden auch zu uns. Dann wollen wir ihm entgegeneilen und ihm die Zettel mit all unseren guten Wünschen zustecken. Und Christus soll sie unserem Vater im Himmel vortragen und mit uns und für uns den ewigen G"tt bitten, Seinen Frieden vom Himmel hoch in Sein Land Israel und auf die ganze Erde zu bringen.
Auf einem dieser Zettel steht:

„Wir wünschen Jerusalem Schalom:
alle, die dich lieben, seien befriedet!
Friede sei in deinen Mauern,
Zufriedenheit herrsche in deinen Häusern.
Um meiner Geschwister und Freunde dort willen
will ich Frieden wünschen für dich
Um das Haus des Ewigen, unseres G"ttes, willen
will ich um Gutes flehen für dich.
Amen - so sei es."

Und der Friede G"ttes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.


Jesaja 52, 7-10

7: Wie anmutig sind auf den Bergen die Füße des Boten, der hören läßt:
Friede! der gute Mär bringt, der hören läßt: Befreiung, der zu Zion spricht:
Dein G"tt trat die Königsherrschaft an
8: Stimme deiner Späher, - sie erheben die Stimme, sie jubeln vereint, denn
Aug in Aug sehen sie, wie der Ewige nach Zion zurückkehrt.
9: Aufjauchzet, jubelt vereint, Trümmer Jerusalems, denn der Ewige tröstet Sein
Volk, er löst Jerusalem aus.
10: Entblößt hat Er Seinen heiligen Arm vor aller Völker Augen, daß sehen alle
Enden der Erde die Befreiungstat unseres G"ttes.



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