Liebe Gemeinde!In Jerusalem
neben der Knesset, dem israelischen Parlamentsgebäude,
steht ein 5 m hoher siebenarmiger Leuchter, die Menora.
Die Menora, stets ein Symbol der jüdischen Geschichte,
wurde 1948 zum Emblem des neugegründeten Staates Israel.
Im Lichte des siebenarmigen Leuchters soll Israel seine
Wege gehen und so "Licht der Völker" sein.
Die
bronzene Menora zur Seite der Knesset wurde 1956 von dem
jüdischen Künstler Benno Elkan fertiggestellt. Im
gleichen Jahr schenkte die British Labour Party diesen
Leuchter der Knesset mit dem schönen Grußwort, den
Leuchter als Geschenk des ältesten an das jüngste
Parlament anzunehmen.
Kein
Bildband über Israel, der nicht eine Abbildung dieser
Menora enthielte, keine Israel- und Jerusalemreise, die
nicht wenigstens kurz diese Skulptur in Augenschein nähme.
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Motive aus der Geschichte Israels sind auf der Menora
versammelt, eines davon habe ich Ihnen heute mitgebracht.
Es zeigt Israel im Exil, in de babylonischen
Gefangenschaft. Ein Bild des Jammers und des Elends.
Drei verkrümmte, kauernde
Gestalten im Vordergrund:
Die linke hat ihr Haupt ganz verhüllt, die rechte
Gestalt klagt fassungslos, faßt sich mit der einen Hand
an den Kopf, die Augen geschlossen, wie erblindet.
Die mittlere Gestalt ist völlig niedergeschlagen; die
Harfe ist den schlaffen Händen entsunken, ungenutzt
liegt sie am Boden. Mit Jerusalem scheint es aus zu sein,
der Tempel ist zerstört, Babels Mauern und Türme aber
stehen fest und recken sich kühn. Rechts zwischen den
Gestalten im vordergrund und der Stadt Babel im
Hintergrund neigen sich Trauerweiden über die Wasser
Babylons; links auf einem kleinen Mauerrest ist der hebr.
Buchstabe "Chet" eingeritzt, der für Chajim =
Leben steht.
Die drei
Gestalten wenden dem stolzen Babel den Rücken zu;
trauernd ist all ihr Trachten und Sinnen bei Jerusalem.
Der Zukunftshorizont ist zusammengestürzt, die Aussicht
auf Rückkehr verrammelt. Wer so für die Zukunft nichts
Gutes mehr ersieht, wer stattdessen über das Verlorene
Tag und Nacht weint der wird wohl erblinden. Und
wem die Wege zurück ins Land versperrt sind, wer aber
auch die Zusammenarbeit mit den neuen Machthabern und die
Anpassung an die neuen Verhältnisse verweigert
dessen Knie werden wohl wankend, dessen Hände schlaff.
Und wer Tag und Nacht den Spott der Peiniger hören muß,
die da höhnen: "Singt uns doch eins von euren
Zionsliedern", der stellt sich nicht nur taub, der
wird allmählich auch taub. Der höhnischen Aufforderung
zu Tanz und Gesang verweigern sich die Trauernden, ihre
Harfen hängen sie in die Trauerweiden oder lassen sie zu
Boden gleiten.
Da
trifft ein Prophetenwort die exilierte Trauergemeinde.
Jesaja wendet sich an die, in denen noch ein Funke
Hoffnung ist, einander die Hoffnung zuzusprechen.
Denn wer
immer nur im Stillen für sich allein hofft, dessen
Hoffnung verlischt.
Deshalb
fordert Jesaja auf: Stärkt nicht nur euch selbst, stärkt
euch vor allem gegenseitig, stärkt einander die
erschlafften Hände, macht euch gegenseitig die
zitternden Kniee fest. Wer stärker in der Hoffnung ist,
wer mehr zu hoffen hat, der gebe denen mit verzagtem
Herzen davon ab: Faßt wieder Mut! Habt keine Angst!
Und
jetzt der Glutkern und Grund der Hoffnungsbotschaft: Dort
kommt euer
G"tt! Er selbst kommt, Er selbst will vorangehen und euch
den Weg zum Zion bahnen! Er ist derselbe, der schon Mose
sich so offenbarte: ich bin der, der mit euch sein will.
Er ist derselbe, sich selbst und euch treu geblieben.
Mächtig
reißt Jesaja den Zukunftshorizont auf, Bild auf Bild türmt
er, Paradiesglanz scheint herüber. Die Wüste wird blühen,
in der Dürre werden sprudelnde Quellen aufspringen, der
glühende Sand wandelt sich zum Teich. Wo eben noch
Schakale lagerten, wächst nun Schilf und Gras. Mehr noch
die Bilder beginnen sich zu überschlagen. Nicht
nur blüht die Wüste, nein sie jubelt.
Nicht
nur kann der Gelähmte wieder gehen, nein er beginnt wie
ein Hirsch zu springen. Nicht nur löst sich die Zunge
des Stummen zur Rede, nein gleich bricht er in
Freudenjubel aus. Hier ist mehr als die Beseitigung
exilsbedingter Verkrüppelung, blind, taub und lahm zu
sein. Hier wird Leben die Fülle, zukünftig-erlöstes
Leben ins Bild gebracht.
Auf
gebahnter Straße wird Israel heimkehren, sicher und ohne
jede Bedrohung von außen. Aber auch alles Versagen in
den eigenen Reihen wird endlich aufhören. Niemand wird
mehr in die Irre gehen, niemand wird mehr an sich oder am
anderen irre werden, weil niemand mehr an G"tt irre
werden muß Er selbst geht ja voran.
Israel kehrt heim, und das Land freut sich
und jubelt. Die Berge brechen in Jubel aus, die Felder
singen, die Bäume stehen Spalier, und mit ihren Ästen
klatschen sie in die Hände. Merkwürdig, nicht wahr,
ganz menschlich, wie eine Person, schilder uns die Bibel
das Land Israel. Es ist kein passiver Boden, den man nur
beackert und nutzt. Vielmehr: wie ein lebendiger
Organismus und wie ein Seismograph ganz genau reagiert
das Land auf alles, was Israel tut, im Guten wie im
Schlechten. Wenn Israel den Geboten G"ttes gehorcht, so
segnet das Land seine Bewohner mit gutem Leben die Fülle:
ein Land, in dem wie es ja heißt Milch und
Honig fließen. Wenn Israel dem Land alle 7 Jahre ein
Schabbatjahr, (Shmittoh) ein Ruhejahr gönnt, wenn es bei
der Ernte die Nachlese den Armen und Fremden überläßt,
wenn es die Erstlinge des Feldes und die Erstgeburt des
Viehbestandes G"tt darbringt wenn Israel all das
tut, dann spannt das Land über Israels gerechtes Tun
seinen Segen.
Nun aber
auch die andere Seite: verweigert Israel dem Land seine
Ruhejahre, verletzt es Armen- und Fremdenrecht, bricht es
dem Einen G"tt die Treue und verhurt das Land mit Götzendienst
so wird dem Land speiübel, es kotzt Israel aus.
So dient
das Land Israel dem G"ttlichen Willen und dem G"ttlichen
Wort, also der Tora, als Leib. Am Leib des Landes werden
G"ttes Gebote wirklich. Und nur an diesem Leib dieses
Landes, des Landes Israel, wird die ganze Tora wirklich.
Das mag
uns Christen zunächst befremden. Denn glauben wir nicht,
daß wir G"tt überall auf der Welt gleich nah sein können?
Glauben wir nicht, daß wir G"tt überall auf der Welt
gleich gut dienen können, sind Ihm nicht alle Orte und Länder
Seiner Welt gleich-gültig, wenn nur unser Tun Seinem
Willen entspricht?
Die
Bibel widerspricht da unserem christlichen Meinen. Zwar
geht G"tt auch außer Landes, mit ins Exil, um Sein Volk
nicht allein zu lassen. Aber G"tt selbst hat Sehnsucht,
zum Zion heimzukehren, G"tt selbst hat Heimweh nach
Jerusalem, G"tt selbst ist außer Landes auch außer sich.
"Wenn ich dein vergesse, Jerusalem, verdorre meine
Rechte", schwört Er sich selbst zu.
G"tt und
Sein Volk Israel: nicht nur teilen sie gemeinsame
Erfahrungen gemeinsamer Geschichte, auch in ihren
Empfindungen sind sie miteinander im Bunde.
"Die
Nacht ist in drei Nachtwachen eingeteilt. An jeder
Nachtwache sitzt der Heilige, gelobt sei Er, und brüllt
wie ein Löwe, indem Er spricht: Wehe, daß ich mein Haus
zerstört, meinen Tempel verbrannt und meine Kinder unter
die Völker verbannt habe. Wehe dem Vater, der seine
Kinder vertrieben, und wehe den Kindern, die vom Tisch
des Vaters vertrieben wurden." (bBer 3a).
So
schmerzempfindlich und selbstzerrissen lassen die jüdischen
Weisen den biblischen G"tt klagen.
Und wir
Christen? Woher käme uns solche Zionssehnsucht?
Immerhin,
auch wir bekennen, daß das Wort G"ttes nicht ohne
Fleisch und Leib auskommt, daß der Geist G"ttes nach dem
Fleisch greift und daß G"tt in Israel zur Welt kommt,
dort im Stall zu Bethlehem. Wohl geht Jesus zu Zeiten außer
Landes, aber sein Weg vollendet sich in Jerusalem. Der
nahe bevorstehende Untergang Jerusalems löst in Jesus,
anders als in so manchem christlichen Theologen nach ihm,
keinen Triumphgesang, sondern Tränen der Trauer aus:
Jesus weint um Jerusalem. Und noch der auferstandene
Jesus, der doch die Begrenzungen des irdischen Lebens und
des Todes hinter sich gelassen hat, noch der Auferweckte
weckt in seinen Jüngern die zionistische Frage: "Herr,
stellst du in dieser Zeit für Israel das Reich wieder
auf?" (Apg 1,6). Von der Krippe bis zur Himmelfahrt:
reichlich Stoff für zionistisches Hoffen gibt uns da der
Jude Jesus.
Am 14.
Mai 1948, kurz vor Schabbatbeginn, proklamiert David Ben-Gurion
in Tel-Aviv die Errichtung des Staates Israel. Noch während
er spricht, dröhnen über den Dächern von Tel-Aviv ägyptische
Spitfire, detonieren in den Außenbezirken der Stadt
Bomben. 12 Stunden später marschieren die Armeen
Syriens, des Irak, Jordaniens und Ägyptens ein. Der
damalige Generalsekretär der Arabischen Liga verspricht
Israel einen Ausrottungskrieg und ein Gemetzel, von
gleichem historischen Rang wie das Gemetzel der
Kreuzzugfahrer.
Unbedrohte
und sichere Heimkehr von Erlösten? Nein, gewiß nicht.
Krieg und äußere Bedrohung begleiten den Staat Israel
bis zum Golfkrieg. Auch waren es keine Erlösten, die
nach Israel heimkehrten. Sondern Traumatisierte aus den
europäischen Flüchtlingslagern, Überlebende der Shoa,
Menschen, die der deutschen Mordmaschinerie entronnen
waren.
Wir
Deutschen und Christen sollten das nicht so schnell
vergessen, wenn uns neuerdings wieder so nach reichlich
ungezügelter Kritik am Staate Israel ist.
Aber
immerhin: 1948 markiert ein Ende und einen Anfang. Es
endet eine fast 2ooojährige Exilzeit Israels, es beginnt
vielleicht die Zeit der Erlösung.
So
zumindest verstehen es weite Kreise des religiösen
Judentums. Mit der Rückkehr nach Israel habe die
messianische Zeit der Erlösung angefangen, wohlgemerkt
allererst angefangen. Daß Israel wieder in seinem Land
lebe und gedeihe, sei ein messianisches Hoffnungszeichen
oder wie wir Christen sagen ein
Adventszeichen.
Eine der
vielen Verheißungen des Propheten Jesaja allerdings ist
erfüllt worden: Ödnis und Wüste haben zu blühen
begonnen. Dort im obergaliläischen Norden Israels
verwandelte israelische Ingenieurskunst ein
malariaverseuchtes Ödland in das fruchtbarste Ackerland
des ganzen Staates. Vom südlicher gelegenen See
Genezareth pumpt eine 150 Km lange Wasserleitung Wasser
in das Südland, die Negev-Wüste. Längst sind andere,
ökologisch sinnvollere Bewässerungsmethoden
hinzugetreten. Salzresistente Wassermelonen, Trauben und
Tomaten wachsen da, Akazienbäume wechseln mit
Futterpflanzen, exotische Früchte, Zierpflanzen und
Blumen für den Export werden dort gezüchtet die
Wüste, eine blühende Landschaft.
Im
Norden des Negev liegt die Stadt Beer Sheva mit der Ben-Gurion-Universität. Sie hat sich
den Anfang unseres Predigttextes zum Motto gesetzt:
"Jauchzen
sollen Wüste und Öde, frohlocken soll die Steppe, erblühen
gleich dem Narzißlein, blütenreich soll sie erblühn."
Mit 35
sog. Entwicklungsländern kooperiert die Universität.
Wer immer sich in Fragen der Wüstenforschung, Bewässerung
und Entsalzung kundig machen will, konsultiert das
weltberühmte Blaustein-Institut der Universität.
Israelis und Palästinenser studieren hier gemeinsam, und:
moslemische Beduinen, die inzwischen rund um Beer Sheva
seßhaft geworden sind. Und daß inzwischen auch junge
Frauen aus diesen Beduinenfamilien einen Hochschulabschluß
erreichen, kommt einer kleinen Revolution gleich. In all
dem: Israel wäre da nicht Licht der Völker?
Liebe
Gemeinde,
wenn Sie einmal oder wiederum nach Israel reisen, dann
besuchen Sie Beer Sheva, gehen Sie zum Beer Abraham, dem
Abrahamsbrunnen, einer aus biblischer Zeit her erhaltenen
Anlage. Dort im Innenhof aus hellem Sandstein, im
Schatten des Granatapfelbaums, der Dattelpalme und der
Tamariske trinken Sie dann ein Tasse arabischen Kaffee
oder ein Glas Golanwein und lassen sich die uralte
Geschichte von Abraham, Isaak und dem König Abimelech
erzählen, dem König der Philister, d.h. der Palästinenser.
Wenn Sie
aber nicht solange warten wollen, dann können Sie die
Geschichte auch nachlesen, am besten gleich heute, am 2.
Advent, denn es ist eine rechte Advents- und
Friedensgeschichte. Sie steht im 1. Buch Mose, Kap
21 u. 26.
Sie können
dort erfahren, wie Vater Abraham und nach ihm der Sohn
Isaak es machten: dem wüsten Land das Wasser und dem
feindseligen Philsterkönig Abimelech und seinen
feindseligen Knechten schlußendlich doch den Frieden
abzuringen weil Abimelech bekennen muß:
Wir
sehen nun, daß der Herr mit dir ist, daß du der
Gesegnete des Herrn bist.
Amen.
Und der Friede G"ttes, der höher ist als
alle Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.