Gnade sei mit euch und
Friede von dem, der da ist und der da war
und der da kommt.
Der Predigttext für den
heutigen Sonntag steht im
Brief des Jakobus, Kap. 5, VV. 13-16:
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13 Leidet jemand unter euch, so bete er; ist
jemand guten Mutes, so singe sie
einen Lobgesang.
14 Ist jemand unter euch
krank, die rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde,
daß sie über ihr beten und sie salben mit
Öl im Namen des Herrn.
15 Und das Gebet des
Glaubens wird der Kranken helfen, und der Herr wird
sie aufrichten; und wenn sie Sünden getan
hat, wird ihr vergeben werden.
16 Bekennt also einander
eure Sünden und betet füreinander, daß ihr gesund
werdet. Die Bitte eines Gerechten vermag
viel, wenn sie ernstlich ist.
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Liebe Gemeinde!
Frau K. trifft Frau B. im
Supermarkt: „Guten Tag, Frau B. Wie geht es denn so?“ „Ach, nicht so gut. Mein
Vater ist wieder im Krankenhaus. Der Magen,
diesmal.
Wenn wir anrufen, sagt er, es sei alles in Ordnung. Aber das stimmt natürlich
nicht. Wenn er sich doch einmal aussprechen würde. Aber immer hat er alles in
sich hineingefressen. Und Sie, Frau K.? Wie geht es Ihnen?“
„Ach, geht so, muß ja. Ich
kann nicht klagen.“
Ich kann nicht klagen – ich kann nicht klagen: das könnte schon die
ganze Not, das ganze Elend sein.
„Alles, was mich quält und
bedrückt: wortlos und unausgesprochen fällt es in
den Schacht meines Inneren,
liegt mir auf der Seele – bleischwer.
Wem sollte ich mein Elend
auch klagen? Den anderen Menschen? Meist haben sie weder Zeit noch ein offenes
Ohr. Ach, G-tt ja. Ach, G-tt, meinen
Sie, Frau Pfarrerin? Ja, wenn das ginge. Wenn ich da die rechten Worte fände.
Ich habe es nicht gelernt zu beten.
Und darf man das denn
überhaupt? G-tt mit der eigenen Klage in den Ohren liegen? - Der
Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen; wer sagt das doch gleich? Ach ja,
der Hiob. Man muß sich eben dreinfügen. Andere sind noch elender zurecht –
warum sollte G-tt gerade auf mich achthaben, mich erhören?“
Liebe Gemeinde,
Sie kennen solche Gedanken,
vielleicht von sich selbst, gewiß aber von anderen Menschen; zum Leid kommt da
noch die Resignation hinzu.
Und nun der Apostel Jakobus
und seine erste Ermutigung:
„Leidet jemand unter euch,
so bete er; ist jemand guten Mutes, so singe sie einen Lobgesang.“
Jakobus ermuntert seine Gemeinde und uns, Leid
und Freude, Mangel und Erfüllung, bohrenden Schmerz
und glucksendes Wohlbefinden – all das auszudrücken: im Bittgebet oder im
Lobspruch auszudrücken und also uns mit G-tt zu verbinden. Denn wie weit ist
G-tt von uns und unserer Welt entfernt?
Nur ein Gebet weit ist G-tt
entfernt. Bittend und lobend ziehen wir von unserem Alltag den Schleier, er sei
nur Alltag. Im Bittgebet und im Lobspruch lassen wir die Welt und das, was uns
begegnet, transparent werden, transparent auf G-tt hin.
Mehr noch: wir bringen G-tt
in der Welt hervor, wir heiligen die Welt und unseren Alltag. Jüdische Praxis
vollzieht solche Heiligung noch häufiger als christliche. Ist man ein
religiöser Jude, so soll man pro Tag 100 Lobsprüche sagen.
Das heißt doch:
jüdischerseits rechnet man pro Tag mit mindestens 100 Gelegenheiten, daß G-tt
begegnet, im gewöhnlich zu Erwartenden wie etwa Essen und Trinken, aber auch im
Ungewöhnlichen und Überraschenden: eine Sternschnuppe oder ein
Regenbogen, eine neues Kleid oder ein besonders schöner Mensch, ein lang
vermißter Freund oder ein besonderer Duft – über all das sagt man einen
bestimmten Lobspruch, der G-tt als den Geber der guten Gabe preist. Wer G-tt
lobt, verbindet die Welt mit ihrem Schöpfer; wer so lobt, würdigt aber auch sich
selbst als Geschöpf: würdig genug, daß G-tt ihm Gutes zuteil werden läßt.
Und wie verhält es sich mit
der Bitte, mit unserer Klage?
Hat nicht Jesus gesagt: euer
himmlischer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr bittet? Aber gleich
darauf lehrt er uns das Vaterunser, darin wir z.B. ums tägliche Brot bitten.
Wenn G-tt denn alles weiß, woran es uns mangelt, warum ist es trotzdem gut zu
bitten?
Martin Luther hat es so
beantwortet:
Das Bittgebet lehrt uns, daß
wir beide, uns und G-tt, erkennen, daß wir lernen, was uns fehlt und woher wir
es einzig nehmen sollen. Einen köstlichen G''ttesdienst nennt Luther
deshalb unser Bittgebet, denn es taugt zur Selbst- und G''tteserkenntnis.
Darum also: bittet und
dankt, mit beidem gebt ihr G-tt die Ehre. Mit beidem stärkt ihr aber auch euch
selbst; eure Selbsterkenntnis und eure Selbstachtung.
Nun aber weiter mit Jakobus,
weiter zur nächsten Ermutigung:
Da ist
jemand in der Gemeinde erkrankt. Mehr als ein Schnupfen gewiß, aber ans Leben
muß es nicht gleich gehen. Sagen wir also, eine schwere, aber nicht
lebensgefährliche
Erkrankung. Als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, ruft die Kranke
die Ältesten der Gemeinde zu sich, die Repräsentanten, das Presbyterium. Sie
wartet nicht, ob jemand vielleicht von ihrer Krankheit Nachricht gibt, nein sie
ruft herbei und zu sich: ich bin krank, also kommt!
Neidisch könnte man werden, so gut
funktioniert diese Gemeinde des Jakobus.
Die Ältesten kommen: Öl
bringen sie mit, die Kranke damit zu salben. Mehr noch bringen sie mit:
Gebetsstärke und G-ttvertrauen und: seelsorgliches Feingefühl.
Sie salben die Kranke mit
dem gutduftenden Öl, legen ihr die Hände auf und sprechen über ihr eine
Fürbitte, ein Bittgebet. Und dann: G-tt wird sie aufrichten und aufstehen lassen.
Was, liebe Gemeinde, was um
Himmels willen beschreibt uns Jakobus hier? Einen Exorzismus, irgendein
obskures Wunderheilertum mit magischen Tinkturen und Handauflegen?
Nein, nichts von alledem!
Ausdrücklich nämlich soll
die Ölsalbung im Namen des Herrn, also im Namen Jesu Christi, geschehen. Kein
magisches Wundermittel kommt hier zum Einsatz, vielmehr ein Zeichen, daß G-ttes
Lebenskraft uns begleiten will.
Gesalbt zu werden mit Öl,
ein Segen ist es, ein Segen, der unter die Haut geht.
Oft sind es ausgezeichnete
Menschen, die in der Bibel gesalbt werden: Priester, Könige und Propheten.
Immer aber bezeugt die Salbung G-ttes Wunsch, uns zu stärken:
„Du deckst mir den Tisch im
Angesicht meiner Feinde; du salbst mein Haupt mit Öl und schenkst mir den
Becher voll ein“ – viele von uns kennen diesen Vers auswendig; wir sangen ihn
zu Beginn des heutigen G“ttesdienstes.
Ölsalbung und Handauflegen:
wohltuende Gesten der Nähe sind es, wichtige Zeichen. Aber Zeichen bleiben sie.
Rettung und Heilung vermögen sie nicht.
Rettung und Heilung vermögen
allein das Gebet und G-tt, der das Gebet erhört.
Und deshalb werden wir so
ermutigt:
„Bekennt also einander eure
Sünden und betet füreinander. Wenn die Kranke gesündigt hat, so wird ihr
vergeben werden, und ihr werdet alle genesen.“
Wie aber wir Sünde und Krankheit miteinander
verbinden, das ist so manches Mal entmutigend,
etwa so:
wir hadern mit G“tt und
fragen: Warum muß gerade ich das
erleiden, warum straft G-tt mich so?
Und lief nicht jahrelang eine
bösartige Rede um, die da lautete:
Aids, das sei ein gerechte
Strafe für die Sünde der Homosexualität?
Jakobus denkt G-tt sei Dank
anders: Krankheit ist nicht Folge, gar Strafe der Sünde.
Wohl aber kann es sein, daß
sich eine Verfehlung leiblich ausdrückt. In biblischen Zeiten etwa wurde der
Aussatz als solch ein leiblicher Ausdruck verstanden: wer seine Mitmenschen und
das ganze Sozialgefüge durch böses Gerücht und üble Nachrede verletzt, an dem
wird weißer Aussatz sichtbar – ein Zeichen, mehr nicht. Nach einer Frist der
Isolation und Belehrung holen die Priester den nunmehr Geheilten in die
Gemeinschaft zurück. So war es im alten Israel, und so kannte es Jesus.
Und wie immer Sünde und
Krankheit sich zueinander verhalten, eines wissen wir von G“tt genau: nicht an
Krankheit und Sünde hat Er Wohlgefallen, sondern Genesung und Vergebung will
Er.
Das ist die dritte Ermutigung, mit der uns Jakobus
für heute ermutigt.
Und so stelle ich mir all
das Wundersame vor, das da im Krankenzimmer der
jakobinischen
Gemeinde sich begibt: neben all den guten Dingen, die ich schon nannte, haben
die Gemeindeältesten noch etwas anderes und sehr Wichtiges mitgebracht: ihre
Zeit nämlich. Zeit, einander und der Kranken zuzuhören; Zeit, miteinander und
mit der Kranken zu sprechen. Geschützt und getragen von ihrem Vertrauen zu
G-tt, können sie auch einander trauen und frei sprechen.
Behutsam tastet man sich
vor: ob die Krankheit vielleicht doch mehr sei als eine bloße Erkrankung des Leibes. Deutungen, Interpretationen
der bisherigen Lebensgeschichte gehen hin und her, manche bewähren sich, manche
werden verworfen. Worum man denn nun rechtens beten solle, worauf man denn nun
sinnvollerweise hoffen könne – langsam und immer genauer formt sich der Inhalt
des Bittgebetes. Und nicht nur Kopf und Sprache kommen zur Geltung, nein auch
körperliche Nähe und Berührung: die Kranke zu berühren und ihr nahe zu sein,
ohne ihr zu nahe zu treten; die Kranke zu salben, so daß ihr G-ttes Segen unter
die Haut geht, ohne die Grenzen der Scham zu verletzen – so könnte, so kann
gemeindliches Miteinander geschehen.
Und nun die vierte und letzte Ermutigung des
Jakobus:
„Die Bitte eines Gerechten
vermag viel, wenn sie ernstlich ist.“
Jakobus traut dem Gebet und
G-tt viel zu. Wer auf rechte Weise, mit ganzem
G-ttvertrauen betet, dem
gibt G-tt. Aber G-tt ist keine Marionette an den Fäden unserer Bitten. Wann und
in welcher Weise G-tt unser Bitten beantwortet, das verdankt sich Seiner freien
Gnade und Seiner Weisheit. Daß G-tt auf all unsere Gebete achtgibt, darauf
können wir vertrauen, denn Er hat es uns so zugesagt.
Daß Er sich aber auch die
Freiheit nimmt, unserem Willen den Seinigen entgegenzusetzen, damit sollten wir
rechnen. Und daß nicht unbedingt mein Bitten, sondern Sein Wille erkennt, was
für mich das Beste ist – ein befreiender Gedanke kann das sein. Allerdings, wer leidet und Schmerzen hat, möchte von
Schmerz und Leid befreit sein. Und selbst Jesus in seiner Todesangst, dort im
Garten von Gethsemane, betet zunächst: „Vater, laß diesen Kelch an mir
vorübergehen“, und erst dann: „doch nicht, was ich will, sondern was du
willst!“
Zunächst Widerstand, dann
erst Ergebung.
Und wie ergeht es Hiob, ist
nicht auch er ein gerechter Beter, dessen Gebet viel vermochte?
Hiob hadert, kämpft und
streitet mit G-tt: da ist viel Widerstand und keine Ergebung. Tag und Nacht
liegt er G-tt in den Ohren:
„Warum läßt du mich leiden –
gib mir Antwort, erkläre dein Tun, rechtfertige dich, denn ich habe nichts
getan, was deine Schläge rechtfertigen würde.“
So leidenschaftlich hält
Hiob an G-tt fest, daß dieser gar nicht anders kann, als sich Hiob am Ende zu
offenbaren.
Liebe Gemeinde,
herrlich
ist
es, daß G-tt über beide Beter Sein Ja ausspricht, über Hiob und Jesus.
Beide setzt G-tt in ihr
Recht ein, beide nimmt Er in Ehren an.
Jesus wie Hiob: beide
richtet G-tt wieder auf.
Amen.
Und der Friede G"ttes, der höher ist als
alle Vernunft, bewahre eure Herzen und
Sinne in Christus
Jesus.
Amen.
Liturgie