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in deinem Lichte sehen wir das Licht

Predigt zum Brief an die Epheser Kap 5, vv 8-14

 

 

Brigitte Gensch

 

 

 

Liturgie des G''ttesdienstes

am 01.08. 04 (8. So nach Trinitatis)
in der Jubilate-Kirche Lindlar


Gnade sei mit euch und Friede von G“tt, unserem Vater,
und von unserem Herrn
Jesus Christus!

 

Liebe Gemeinde!

der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Brief an die Epheser, Kap. 5, 8-14.

 

 8 Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber [seid ihr] Licht im Herrn; wandelt als Kinder des Lichts! -

 9 denn die Frucht des Lichts besteht in lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit -

10 und prüfet, was dem Herrn wohlgefällig ist,

11 und beteiliget euch nicht an den unfruchtbaren Werken der Finsternis, sondern decket sie vielmehr sogar strafend auf!

12 Denn was heimlich von ihnen geschieht, ist schändlich auch nur zu sagen.

13 Das alles aber wird offenbar, indem es vom Lichte strafend aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, ist Licht.

14 Daher heisst es:
"Wach auf, der du schläfst,
 und steh auf von den Toten,
 so wird Christus
 dir als Licht aufgehen."

[Züricher Bibelübersetzung]

 

Sie kommen. Die junge Frau ist aus leichtem Schlaf aufgeschreckt in die Helle ihrer Gefängniszelle. Sie weiß nicht, wie spät oder früh es ist. Sie weiß nicht, ob der Rhythmus zu schlafen und zu wachen, den man ihr diktiert, noch mit der Welt draußen übereinstimmt. Ihre Zelle ist alle Zeit gleich hell erleuchtet, mit künstlichem Licht, fensterlos. Allem, was zur Welt draußem gehört, ist der Zugang zur Welt ihrer Zelle verwehrt, kein Geräusch, kein Sonnenstrahl und keine Dunkelheit erreichen das Drinnen – es ist, als habe die Welt draußen zu existieren aufgehört. Und da der kleine Raum bis auf eine niedrige Pritsche und einen Kübel leer ist, fehlen selbst die Schatten. Als habe das Licht alles Dunkel aufgefressen.

Sie sind da. Mit der immergleichen Prozedur werden ihre Hände auf den Rücken gebunden und eine Kapuze über ihren Kopf gezogen. So wird sie den langen Flur hindurch bis zum Verhörzimmer geführt. Die Gefangene sieht nichts, sie wird gesehen. Die Blicke der Wächter sind auf ihr und ziehen ihr Innerstes nach außen an die Oberfläche ihres Leibes; sie ist in die Verfügung der Blicke übergegangen. Diese sind es, die die Gefangene bewegen. Sie sieht nichts, sie wird gesehen.

Als sie das Verhörzimmer betreten, wird sie zu einem Stuhl geführt und niedergesetzt, die Kapuze wird abgenommen, und sie sieht in das grell-blendende Licht der Schreibtischlampe. Obgleich dieser Vorgang schon vielmals sich wiederholt hat, schmerzt das Licht doch immer wieder ihre Augen.

Nach und nach erkennt sie die Begrenzung des großen Schreibtisches, hinter dem in einigem Abstand der verhörende Offizier sitzt. Von der Schwärze des hinteren Zimmerbereichs heben sich die Umrisse seiner Gestalt nur unmerklich ab. Auf der gegenüberliegenden Zimmerwand mit der Eingangstür, im Rücken der Gefangenen, beginnen zwei Schatten ein groteskes Spiel, immer dann, wenn die Lampe bewegt wird. Den einen Schatten wirft die Lampe selbst, der andere gehört der Gefangenen.

Die Befragung beginnt. Die Stimme des befragenden Offiziers ist ihr wohlbekannt. Eine unangenehme Stimme ist es, hoch-heiser und ein wenig porös, als wären nasse Sandkörner hineingeraten. Und obgleich die Gefangene die Worte versteht, ist es ihr so, als könne der Klang des Gesagten die grellweiße Lichtschranke nicht passieren und falle dorthinten im Dunkeln zu Boden. Wenn sich der Verhörende ein wenig bewegt, sein Kopf etwa von links nach rechts und wieder zurück geht, so sieht sie nur eine schwarze Kugel.

Die schwarze Kugel spricht -  immerzu, leidenschaftslos.

Aus dem, was die Kugel sagt, kann die Gefangene entnehmen, daß man dort draußen in der Welt erfolgreich war: Freunde wurden entdeckt und haben ausgesagt, nicht weil sie es wollten, sondern weil sie es mußten. Zug um Zug zerrt man ans Licht, was im Verborgenen liegt; kein Winkel bleibt unausgeleuchtet, keine Dunkelheit unerhellt – so frißt sich das Licht vorwärts.

Aber etwas, nur etwas haben sie noch nicht entdecken können: den Namen des Geliebten. Der blieb ihr und soll ihr bleiben – und koste es das eigene Leben.

„Das alles aber wird offenbar, indem es vom strafenden Licht aufgedeckt wird“

(Eph 5,13a).

 

Liebe Gemeinde,

ein anderes Zimmer an ganz anderem Ort.

Da ist jemand aus der Gemeinde erkrankt, schwer erkrankt. Der Kranke ruft einige der Gemeinde zu sich, und wenn wir uns an das halten, was wir aus dem Brief des Jakobus in der Lesung hörten, so sind die Gerufenen solche, die die Gemeinde repräsentieren, also Mitglieder des Presbyteriums. Aber gleichviel, ob es Presbyterinnen und Presbyter oder andere sind: es sind Menschen aus der Gemeinde. Öl bringen sie mit, den Kranken zu salben, und mehr noch bringen sie mit: Gebetsstärke und G“ttvertrauen. Und: seelsorgliches Feingefühl.

Etwas Wundersames begibt sich in diesem Krankenzimmer, eine Entdeckungs= reise und Aufklärung ganz eigener Art. Zeit ist da, einander und dem Kranken zuzuhören. Zeit, miteinander und mit dem Kranken zu sprechen. Weil alle, die sich dort im Krankenzimmer versammelt haben, auf G“ttes Schutz trauen, trauen alle auch einander. So können sie frei miteinander sprechen.

Behutsam tastet man sich im Gespräch vor: ob die Erkrankung vielleicht doch mehr sei als eine bloße Krankheit des Leibes – ob es nicht so sein könne, daß eine gequälte Seele im erkrankten Leib aufschreit, weil anders sie sich nicht zu helfen wußte. Ob eine Lebensgeschichte mit ihren Entbehrungen und Verfeh-lungen sich in der Krankheit nicht eine, ihre Gestalt geschaffen habe.

Behutsam geht solche Entdeckung vor, was heißt, daß sie darauf achthat, den Kranken nicht zu überfordern. Über durchaus mehrere Stationen könnte sie sich erstrecken, und dieser besondere Besuchskreis käme dann mehr als einmal.

Miteinander sprechend, ergeben sich die Deutungen und Interpretationen der bisherigen Lebensgeschichte und gehen im Gespräch hin und her, manche bewähren sich, einige werden verworfen. Langsam und allmählich formt sich genauer, worauf man sinnvollerweise noch hoffen kann, worum man rechtens noch beten solle. Und wie die Deutungen die Lebensgeschichte des Kranken aufdecken, so bringen sie auch das Leben der Anderen, die da zum Gespräch gekommen sind, ins Offene.

Denn, nicht wahr, mit jeder Deutung, die wir für andere haben, sagen wir auch etwas über uns selbst aus.

All dies geschieht im Schutzbereich des g“ttlichen NAMENS, des NAMENS, der da lautet:

Ich bin da und Ich werde bei euch sein. Ich, Der Ich in den Höhen throne und tief drunten bei den Demütigen und Zerschlagenen bin.

Mein Antlitz ist freundlich und licht, und in seinem Licht seht ihr einander an.

Und wenn wir einander im Licht Seines freundlichen Antlitzes ansehen und einander annehmen, wie ER uns angenommen hat, dann füglich ist möglich, wovor wir uns so ängstigen und was uns schwerer als alles andere fällt: unsere Verfehlungen aufzudecken und einander um Vergebung zu bitten.

Immerhin, nicht weniger als unserer Auferstehung zum Leben verspricht uns die Bibel davon:

„Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird Christus dir als Licht aufgehen“ (Eph 5,14).

In der vierten Strophe des letzten Liedes habe wir gesungen:

„Noch manche Nacht wird fallen / auf Menschenleid und –schuld. / Doch wandert nun mit allen / der Stern der Gotteshuld. / Beglänzt von seinem Lichte, / hält euch kein Dunkel mehr, / von Gottes Angesichte / kam euch die Rettung her.“

Das Lied schrieb Jochen Klepper im Jahre 1938, als die Herrschaft der Nationalsozialisten die Nacht, die über Deutschland sich gesenkt hatte, mit allerlei bösartigem Licht und Feuer erhellte. Am Ende des Lebens, seines wie dem seiner Familie, kurz vor ihrem gemeinsamen Freitod, sagte Jochen Klepper:

„Gott ist barmherzig, der Mensch ist es nicht.“

Und, so wäre fortzufahren, diktatorische Gesellschaftsverhältnisse sind besonders dazu angetan, daß menschliche Unbarmherzigkeit herrschend werden kann. Es beginnt mit dem Freund-Feind-Schema, das alle Differenzierungen, alle Zwischentöne auslöscht. Wo die Einen im Licht stehen, werden alle Anderen in den Schatten gestellt. Wo sich die Einen das Reich des Guten zuteilen, bleiben für die Anderen nur die Werke der Finsternis.

Und um gleich dieses Schwarz-Weiß-Schema aufzubrechen, demzufolge immer die Anderen Bewohner der Finsternis seien, genau deshalb, weil stets die Anderen so grob Licht und Schatten zuteilten, bemerken wir hier durchaus selbst- und christentumskritisch: gerade unsere christliche Tradition schleppt von ihren Anfängen bis in die Gegenwart die Last der Selbstgerechtigkeit. Aus dem gnadenvollen Zuspruch Christi, der da sagte: Ihr seid das Licht der Welt,

drehte sich die Kirche einen Satz des Besitzes heraus, als gäbe es da überhaupt etwas zu haben und zu besitzen, als könnte man über das Licht der Welt verfügen, weil man Christus, das Licht, zum Herrn habe. Und so fiel dem Dunkel der Vergessenheit anheim, dieses Licht doch nur zu Lehen zu haben, eine kostbare Gabe aus dem Volk unseres Herrn, aus Israel – welches Volk die Bibel das Licht der Völker nennt.

Und auch unser heutiger Predigttext gehört in diese christliche Verstrickungsgeschichte kirchlicher Selbstgerechtigkeit – so verführerisch nah nämlich ist die Zusage Ihr seid Licht und wandelt als Kinder des Lichts“ dem Besitz-Satz Wir sind Kinder des Lichts“.

So verführerisch nah und doch durch einen Abgrund getrennt.

Denn Eines ist es, G“ttes Sonne der Gerechtigkeit von Seinen Himmeln diebisch zu sich herunter zu holen, das gerade Gegenteil aber, sich alle eigene Sicht aus G“ttes Helle  geben zu lassen, aus dem ersten Licht der Schöpfung, von dem es heißt: daß es gut war.

Und zum Schluß ein Wort über die Demut und für die Demütigen, also die, welche geduldig warten und alles erwarten. Das Wort stammt vom Meister Eckart, dem tiefen deutschen Mystiker, und es lautet so:

„Es ist ein Etwas in der Seele, das ist mit Gott versippt, daß es mit ihm eins ist...das Fünklein der Seele, das da ist geschaffen von Gott und ist ein Licht, der Seele von oben eingewirkt“.

Schauen wir, daß dieses Fünklein nicht verlischt, vielmehr leuchtet, und schauen wir, daß wir die Funken, die in allen Geschöpfen G“ttes geborgen sind, erkennen und heben, tun wir das mit dem solidarisch-liebevollen Blick, der uns mit allem Geschöpflichen versippt – und tun wir es,

auf daß G“ttes Ehrenschein strahlt

und Sein Antlitz leuchtet.

Amen.

Und der Friede G“ttes, der höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.


 

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