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Jochen Klepper
Jochen Klepper
22.03.1903 - 11.12.1942

"Die Nacht ist
      vorgedrungen
, ...
"

Adventsandacht 
am 19.12.2002 
(Gemeinde Dünnwald)

Brigitte Gensch

.

Lied „Meine Hoffnung und meine Freude“ (...)
Begrüßung und Votum: 
Wir sind zusammen im Namen G"ttes
Sein Licht erleuchtet unser Dunkel
Christus kommt uns entgegen
Geist G"ttes: wir brechen auf. 
Amen.

Psalm 57 (EG 728)
1 Des Chormeisters, »Verderbe nimmer«, von Dawid, ein Sühngedicht, - da er vor Schaul auf der Flucht war in der Höhle.
2 Leihe Gunst mir, Gott, leihe mir Gunst, denn an dir birgt sich meine Seele.
Ich berge mich
im Schatten deiner Flügel,
bis vorüberzog das Verhängnis.
3 Ich rufe zu Gott dem Höchsten, dem Gottherrn, ders vollführt über mich.
4 Er wird vom Himmel senden und mich befrein, mag auch höhnen, der nach mir schnappt. / Empor! / Senden wird Gott seine Huld und seine Treue.
5 Meine Seele ist inmitten von Löwen, liegen muß ich bei Sengenden, Menschenkinder sinds, deren Zähne sind Speer und Pfeile, deren Zunge ein scharfes Schwert.

6 Schwinge dich über den Himmel, Gott,
über alles Erdreich deine Ehre!
7 Sie hatten ein Netz für meine Tritte befestigt, er bog mir die Seele zurück, sie hatten vor mir eine Grube gebohrt, nun fielen sie mitten hinein.
/ Empor! /
8 Fest ist mein Herz, Gott, fest ist mein Herz, singen will ich, harfen will ich.
9 Ermuntre dich, meine Ehre, ermuntre dich, du Laute und Leier, ermuntern will ich das Morgenrot.
10 Unter den Völkern will ich dir danken, mein Herr, unter den Nationen dir harfen,
11 denn bis an den Himmel groß ist deine Huld, bis an die Lüfte deine Treue.
12 Schwinge dich über Himmel, Gott, über alles Erdreich deine Ehre!

Gebet:
Ewiger G"tt,
Adventszeit – Zeit unsres Wartens und unserer Vorbereitung.
Wir sehnen uns nach Deiner Ankunft, wir schauen aus nach Deinem Licht.
Die Welt wartet auf Dich, daß Du sie ganz und gar verwandelst:
all unsere Traurigkeit in Freude
all unsere Finsternis ins Helle
all unsere Feindschaft in Freundlichkeit
all unser Seufzen in Lobgesang
G"tt, unser Vater
komm zu uns am Abend dieses Tages, sei bei uns mit Deinem Licht
und mit Deiner Freundlichkeit
sei uns Retter und Tröster
durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Amen.

Lesung: 
Wir loben G"tt mit der Preisung des Zacharias (Faltblatt „Die Rettung...“) .......
Glaubensbekenntnis: Laßt uns gemeinsam unseren Glauben bekennen ......

Lied 16 Die Nacht ist vorgedrungen  (Strophe 1 und 2)

1. Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.
2. Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.

     
Jochen Klepper, 1938 (1903-1942) 

Auslegung zu EG 16: 
D
ie Nacht ist vorgedrungen, ...
 


Wir kennen gewiß alle diese Nächte, die nicht enden wollen. Z.B. im Krankenhaus nach einer Operation. Schmerzen plagen uns, wir können nicht einschlafen. Wir drehen uns, von einer Seite auf die andere. Oder vielleicht können wir das auch nicht und müssen auf dem Rücken liegen. Die Zeit schleicht unendlich langsam, will und will nicht vergehen. Wir schauen auf das phosphorisierende Ziffernblatt des Weckers auf dem Nachttisch. Wieder erst eine halbe Stunde vergangen. Die Gedanken kreisen, aber nichts macht richtig Sinn. 
Vielleicht dösen wir kurz ein, um dann angstvoll aufzuschnellen. Das Herz rast, der Puls geht zu schnell. Ein Blick durchs Fenster, fahles Dunkelgrau. Wann kommt endlich der Morgen? Wir schauen voll Sehnsucht, ob nicht doch schon ein erstes Zeichen der Morgendämmerung zu erspähen ist...
Endlich:
„Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern.“ Wir hören erste Geräusche einer erwachenden Betriebsamkeit. Willkommen das Klappern in der Küche, die Schritte auf dem Gang, die Motorengeräusche auf dem Hof.
Bald wird ein Mensch unser Zimmer betreten, der Morgen ist da, ein neuer Tag.
  „Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein.“
Der Dichter unseres heutigen Liedes, von dem wir gerade die ersten beiden Strophen gesungen haben, heißt Jochen Klepper. Und von ihm, seiner Familie, ihrem Leid und ihrer Verzweiflung, aber auch von ihrem schier wahnsinnigen G"ttvertrauen möchte ich Ihnen heute Abend erzählen. 

Wir singen Strophe 3 und 5:

3. Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah!
5. Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt!
Als wollte er belohnen,
so richtig er die Welt!
Der sich den Erdkreis baute,
der läßt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.

jochen klepperJochen Klepper, der niederschlesische Pfarrersohn,Theologe und Dichter, schreibt dieses Lied 1938. Im selben Jahr noch läßt sich seine jüdische Ehefrau, Hanni Stein heißt sie, taufen, nicht zuletzt deshalb, weil beide hoffen, so der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entkommen zu können. Denn wie mörderisch dieses Regime war, das war ihnen und vielen in Deutschland spätestens mit der Reichspogromnacht 1938 klar geworden.
Auch da hatte Licht die Nacht erhellt, das verzehrende Feuer des Judenhasses hatte man entfacht, G"tteshäuser, Synagogen brannten, und G"ttes Wort, die Torarollen, lagen im Straßendreck. 
Hanni Stein Doch die Taufe bietet keinen Schutz, weder vor dem tödlichen Zugriff des Staates, noch vor dem gleichermaßen tödlichen Verrat der Kirche.
Als Jochen Klepper aus der Zeitung vom Ausschluß aller Judenchristen und Judenchristinnen aus der evangelischen Landeskirche Thüringens liest – es ist der 28. Februar 1939 – da notiert er tief bestürzt in sein Tagebuch:
„Das habe ich nicht für möglich gehalten. Ich sehe darin das Ungeheuerlichste, das bisher im Dritten Reich geschehen ist“
(Tagebuch „Unter dem Schatten deier Flügel“, S. 730).
Das Ungeheuerlichste nämlich, daß die Kirche das Sakrament der Taufe entheiligt und dem Rassenwahn erliegt: Jud bleibt Jud, da ändert auch die Taufe nichts.
J.Klepper mit den Töchtern Brigitte und Renate Hanni Stein hat zwei Töchter mit in die Ehe mit Jochen Klepper gebracht, die ältere Tochter kann nach England gerettet werden, und auch für die jüngere Tochter Renate, zärtlich Renerle genannt, auch fürs Renerle scheint sich eine Rettungsmöglichkeit nach Schweden zu eröffnen. 
Dann kommt die niederschmetternde Nachricht, nur die Tochter dürfe emigrieren, nicht aber die Eltern. Die Nazis bedrohen Jochen Klepper mit der Zwangsscheidung von seiner jüdischen Ehefrau. Danach würde ihre Deportation unmittelbar erfolgen, und Jochen Klepper weiß, daß er seiner Frau nicht wird beistehen dürfen. Er weiß, daß Familien auf den Transporten ostwärts in den Tod auseinander gerissen werden, der sog. „arische Teil“ vom „nichtarischen Teil“ gewaltsam getrennt wird. Beide wissen das, alle drei wissen das. 
die letzte Tagebucheintragung Am 11. Dez. 42 geht die ganze Familie freiwillig in den Tod. Eine Adventsnacht, kein Morgen mehr. 
Fast genau 60 Jahre ist das jetzt her, jetzt am 19.12. 2002. Das Tagebuch, in das Jochen Klepper notiert, wird den Titel tragen „Unter dem Schatten deiner Flügel“, ein Vers aus dem Psalm, den wir zu Beginn gebetet haben. Die letzte Tagebucheintragung Kleppers vom 10.12.42 lautet so:
„Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott – Wir gehen heute nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben“ (ebd. S. 1133).


Wir singen Strophe 4
4.
Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.

Von G"ttes Angesicht kommt uns die Rettung her. Denn G"tt verwandelt alles.
Und wieder werden wir G"ttes verwandelnde Kraft zu Weihnachten erfahren:
Dem alle Engel dienen, der macht sich zu Kind und Knecht, wird verletzbar und liefert sich der Macht aus. Wer Schuld hat, muß nicht in Sack und Asche gehüllt daherschleichen, sondern kann sein Antlitz offen zeigen – sein G"ttvertrauen wird ihm heraushelfen. Das Finstere wird erhellt, G"tt will im Dunkeln wohnen.
Der Richter der Welt, vor dessen strafender Autorität uns doch bang sein müßte, er kommt, mich zu lohnen. Der in den Himmeln thront und den Erdkreis in Gerechtigkeit richtet, tritt als mein Fürsprecher an meine Seite, mein Anwalt, mein Löser.
Jochen Klepper, Hanni und Renerle glauben so, vertrauen so. Sie setzen auf G"ttes alles verwandelnde Kraft, der auch den Tod verwandeln kann.
Der Mordmaschinerie der Nazis, die der Welt das Licht löschen will - ein für allemal -, setzen sie verzweifelt und aberwitzig genug einen anderen Tod entgegen, den eigenen Freitod. Sie hoffen, daß Christus ihnen segnend entgegenkommt und ihnen ihre Schuld nicht zurechnet.
Wir können nicht wissen, ob Jochen Klepper und seiner Familie ein solcher - ja darf man sagen - guter Tod widerfahren ist. 
Aber wir hoffen darauf und beten dafür: im Moment des Todes sei ihnen „von Gottes Angesichte her“ der Auferweckte, Christus, entgegengekommen, sie aus der Nacht des Todes herauszuführen.
Amen.

Fürbitten:
Wir halten Fürbitte, die wir jeweils mit „Herr, erbarme Dich“ beantworten.

Barmherziger G"tt,
bei Dir steht alle Verwandlung. Wir bitten Dich:
schenke uns von Deiner Kraft, diese Welt zum Guten zu verwandeln.
Mach uns zu Deinen Kindern, die Frieden stiften.
Herr, erbarme Dich.

Bei Dir ist das Licht. Wir bitten Dich:
sei allen mit Deinem Licht nahe, die in Finsternis und Todesschatten sitzen.
Herr, erbarme Dich.

Bei Dir ist Treue. Wir bitten Dich:
Wache mit denen, die wachen oder weinen in dieser Nacht. Behüte Deine Kranken, gib Ruhe Deinen Müden, 
segne Deine Sterbenden und tröste Deine Leidenden.
Wir bitten jetzt für Menschen aus unserer Gemeinde und für ihre Anliegen...

Ewiger Vater,
bleibe bei uns in dieser Nacht und in aller kommenen Zeit.
Dein ist der Tag und Dein ist die Nacht.
Laß, wenn des Tages Schein verlischt, das Licht Deiner Wahrheit leuchten.
Geleite uns zur Ruhe der Nacht und dereinst zur ewigen Vollendung.
Amen.

Links:
http://www.geocities.com/alexanderbehrend/klepper/leben.htm  (Bilder)
http://ourworld.compuserve.com/homepages/Alexander_Behrend/klepper.htm  Gottesdienst, Literatur u.a

 


erstellt am:
21.12.2002

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