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Ich will meinen G-tt schön machen (2.M 15,2)

Predigt über
2. Mose 15,2


Brigitte Gensch

Kanzelgruß: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war,
der da ist und der da kommt!

15,1: Dem Herrn will ich singen, wie hoch, wie hoch erhaben Er gewesen,
Roß und Reiter hat Er ins Meer geschleudert!
2: Mein Sieg und Sang ist der Herr, das ward mir zur Rettung;
Der ist fortan mein G"tt, Ihn will ich schön machen.

Liebe Gemeinde!
„ich will meinen G"tt schön machen“ – ja, geht denn das überhaupt, werden Sie mich oder sich vielleicht fragen. G"tt hat doch kein Gesicht, auf das man Salbe oder Schminke auftragen könnte, Er besitzt doch keinen Leib, den man schön gewanden könnte. Und wenn die Bibel vom Antlitz G"ttes spricht, etwa im Segen: der Herr lasse sein Antlitz über Dir leuchten, oder in unserem Ps 104: in Licht wie in ein Gewand hüllt G"tt sich da – wenn die Bibel so spricht, dann gebraucht sie Bilder des Vergleiches, um unserem schwachen Verstand aufzuhelfen, der sonst so gar nicht aus noch ein wüßte, sich den ewigen und unsichtbaren G"tt vorzustellen.
Also: nicht um göttliche Kosmetik geht es, wenn Mose und mit ihm das ganze gerettete und befreite Volk Israel in Jubel und Gesang ausbrechen. Der eine Sänger gelobt für alle Befreiten: „Ich will meinen G"tt durch mein Loben und Singen schön machen, denn Er allein hat mich gerettet: Ich will Ihn erhöhen, denn hoch erhaben ist Er. Ich will Ihm mit meinem Sang und Dank gerecht werden, denn einzig Er ist mir der Rechte. Das will ich Ihm unablässig und ohne Ermüden sagen.“
Und auch unser Lob zwischen Menschen trägt diese Züge. Wenn wir einander loben für ein Tun oder für einen Wesenszug, so versuchen wir damit, einander gerecht zu werden. Jedes Lob benennt den Anderen in seiner Unverwechselbarkeit, jedes Lob ist immer auch - ein wenig - eine Liebeserklärung, jedes Lob macht den Anderen schön.
Wenn Sie nun, liebe Gemeinde, eine Bibel in deutscher Sprache aufschlagen und das Loblied nachlesen wollen, das die Kinder Israel nach ihrer Errettung aus Ägypten unserem G"tt sangen, dann werden Sie vielleicht etwas enttäuscht feststellen: da steht ja gar nicht „schön machen“, da steht „ich will Ihn preisen“ oder „ich will Ihn verherrlichen“. Aber lassen Sie sich nicht enttäuschen! Das Wörtlein, um das es geht, das hebräische Wort „naweh“ bedeutet „schön“, „lieblich“. Das Schöne aber nennen wir manchmal auch „herrlich“. „Schön machen“ und „verherrlichen“: zwei Tätigkeiten, die sehr eng beieinander sind.
Folgen Sie mir noch ein wenig auf der Spur der Sprache, es gibt nämlich noch mehr zu entdecken. Das Wörtlein, um das es geht, das hebräische Wort „naweh“ bedeutet auch „grüne Weide, Raststätte, frische Aue“.
„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, Er weidet mich auf einer grünen Auen“ (Ps 23), diesen Beginn des 23. Psalmes kennen Sie alle und etliche gewiß auswendig. Mich dürstet, und G"tt, mein Hirte führt mich zum frischen Wasser; Seine grünen Auen sättigen mich. Anders kann es wohl auch nicht sein – mich dürstet, und G"tt gibt mir zu trinken. Ich bedarf Seiner, Er ist der Herr, ich bin das bedürfige Geschöpf.
Und es kann sehr wohl anders sein. Denn kehren wir zu Moses und seinem Jubelgesang zurück:
„Mein Sieg und Sang ist G"tt, das ward mir zur Rettung; Der ist fortan mein G"tt, Ihm will ich eine grüne Weide, eine frische Aue sein.“
G"tt hat also Durst, Ihn dürstet nach unserem Lob. Er möchte sich sättigen an unserem Lobpreis, Er sucht und sehnt sich nach unserer Anerkennung. Wenn wir uns an all dem Guten, das er uns widerfahren läßt, freuen und dafür danken, dann freut sich G"tt an unserer Freude. Der G"tt der Bibel jedenfalls will von Anbeginn an nicht allein sein, allein mit Seiner ganzen Herrlichkeit; vielmehr will Er sie mit Seinen Geschöpfen teilen. Der biblische G"tt, unser G"tt, ist glücklich und manchmal auch unglücklich in Beziehung, ohne Beziehung ist Er jedoch nie. 
G"tt bringt uns zur Ehre und würdigt uns, indem Er sich von uns ehren läßt und sich an unserem Lob sättigt.
Ist das nicht schön und herrlich?

Musik von Daniel Diestelkamp

„Es trinken sich satt die Bäume des Herrn, 
die Zedern des Libanon, die du gepflanzt,
daß die Vögel dort nisten; die Störchin – auf Wipfeln ist ihr Haus.
die hohen Berge gehören den Steinböcken,
Felsklüfte sind der Klippdachse Zuflucht.
Da – das Meer: groß und weit sich dehnend; dort ist Gewimmel ohne Zahl,
kleine Tiere zusammen mit großen.
Dort ziehen Schiffe dahin, der Leviathan, den du gebildet hast, mit ihm zu spielen.“ (Ps 104, 16-18. 25-26).

Liebe Gemeinde, 
allerlei Nutzloses und Zweckfreies besingt da unser Psalm, der Ps 104, den wir auch zu Beginn dieses G"ttesdienstes gemeinsam gebetet haben, wenn auch nicht in seiner Gänze. Nutzlos und zweckfrei zumindest bezogen auf unsere menschliche Zwecksetzung, unsere menschlichen Interessen. Eine Natur, die nur für sich da ist, einfach da ist und sich selbst genügt. Ein eigenes Reich, in dem der Mensch nichts verloren hat und nur stören und zerstören würde. Allein G"tt findet hier Gefallen. 
Die Zedern des Libanon: „Bäume des Herrn“ sind sie, denn sie verdanken ihre Existenz und ihren Weiterbestand nicht der menschlichen Kultur und Forstwirtschaft, sondern allein G"ttes Fürsorge. In ihren Wipfeln schaukeln die Vögel und finden Ruhe. Das Edelholz der Zeder diente der Errichtung des Tempels in Jerusalem, dem Heiligtum, in dem G"ttes Herrlichkeit wohnte; 
„Bäume des Herrn“- nicht zu Menschenzweck, sondern G"tt zur Ehre...
Und welches maßlose und deshalb unbeschreibliche Vergehen, wenn wir Menschen, z.B. in Südamerika im amazonischen Regenwald, riesige Flächen des Baumbestandes vernichten, mitsamt aller Kreatur, mit aller tausendfachen Artenvielfalt. Vernichtet, noch ehe wenigstens einmal menschliches Auge sie sah und preisen konnte.
Auf der glatten oder rauen Oberfläche der Meere fahren die Schiffe dahin, dem Menschenzweck dienlich. In den Tiefen aber tummelt sich Leviathan, die Riesenschlange der Vorzeit, gebändigt durch G"ttes Willen, ein Spielzeug, besser noch ein Spielgefährte G"ttes. Und noch eine weitere unzählbare Vielfalt an „kleinen und großen Tieren“ weiß unser Psalmensänger, der König David, zu preisen, dort von der Oberfläche des Meeres bis zu seinen tiefsten Gründen.
Wir zweckversessenen und interessebornierten Menschen haben es uns leider längst abgewöhnt, in der Vielfalt und Schönheit der Natur etwas anderes als einen heimlichen Zweck der Fortpflanzung und Arterhaltung zu erkennen. Doch auch in den dunklen Tiefen der Meere wimmelt eine oft leuchtende Farbenpracht, die einzig dem Spieltrieb der Natur sich verdankt. Denn es gibt dort unten keinen Adressaten für diese Pracht, kein Männchen oder Weibchen, das durch die Farbpracht zur Paarung angezogen würde, viel zu blind ist man nämlich dort unten. Aus reinem Luxus und aus reiner Verschwendung, ganz zwecklos und ganz ohne Funktion entfaltet die Natur einen solchen Reichtum, vielleicht G"tt zu Gefallen.
„Welch schönes Jenseits / ist in deinen Staub gemalt“, dichtete die jüdische Dichterin Nelly Sachs. Jenseits des Zweckes malt die Natur auf die staubbedeckten Flügel der Falter und Schmetterlinge Farben und Zeichnungen -nur so, aus reiner Daseinsfreude.
Und es gibt in der Natur ein kleines Wesen, von dem kein Biologe bisher sagen konnte, welchen Sinn es überhaupt habe. Es ist das Federgeisterchen, ein winziges geflügeltes Tierchen, fast durchsichtig und von sehr kurzer Lebensdauer.

In Köln gab es eine Apotheke, in deren Schaufenster ein Schild mit folgendem Spruch sich befand: „Jedes Kräutlein lobet seinen Herrn“.
Mein damaliger Lehrer und Professor der Philosophie, G"tt hab ihn selig, zitierte diesen Spruch in einer Vorlesung, die – ich erinnere es gut – mit Fragen des G"ttesbeweises sich und uns plagte. Und der Herr Prof. schimpfte den armen Spruch aus, daß es doch Unsinn sei, von der Natur, sie sei noch so schön und noch so klein und noch so selig zweckhaft in sich selbst, ja daß es doch Unsinn sei, von ihr auf einen G"tt zu schließen, G"tt beweisen zu wollen.
Da hatte er Recht und doch auch nicht Recht. Keine Natur, auch nicht die allerschönste, beweist uns, daß es G"tt gibt. Aber sie lobt ihn. Und gerade das Zwecklose und vermeinlich Überflüssige lobt seinen Schöpfer, denn es ist jenseits allen Beweiszweckes.
Und dann bekäme der Sänger Mose und der Sangesmeister David Konkurrenz, Konkurrenz im Wettbewerb um das schönste G"tteslob. Das nutzlose Federgeisterchen nämlich wäre ihre Konkurrenz.
Ist das nicht schön und herrlich?

Musik von Daniel Diestelkamp

„Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich, der Herr freue sich Seiner Werke.
Ich will singen dem Herrn mein Leben lang; ich will loben meinen G"tt, solang ich bin.“ (Ps 104, 31.33)

Liebe Gemeinde, 
nach allem, was wir wissen, war unser Apostel Paulus ein häßlicher Mann, mit kleinen, schwarzen Augen und einem stechenden Blick, schroff fuhr seine Rede drein, und was sonst noch häßlich war, das lassen wir heute unerwähnt.
Aber gerade Paulus war voller Sehnsucht nach einem kommenden Reich G"ttes, das aller Kreatur die vollendete Herrlichkeit bringen werde. Und nicht nur geistlich-geistig meinte er die zukünftige Herrlichkeit, sondern durchaus auch leiblich. Die Kirche Jesu Christi, uns alle also, konnte er sich gar nicht anders vorstellen als eine Kirche in herrlicher Gestalt, „die weder Flecken noch Runzeln oder etwas dergleichen hätte“, so schreibt Paulus an seine Epheser (Eph 5,27). Ohne Flecken und Runzeln, sondern mit einem reinen und glatten Antlitz werden wir einander und G"tt anschauen.
Und noch eine weitere Vision eröffnet uns die Bibel, wenn sie von unserem zukünftigen Herrlichkeitsleib spricht: mit lichthaft-weißen Gewändern werden wir angetan sein. Weiß, da denken wir v.a. an Reinheit und Unschuld, und gewiß ist auch das gemeint. Weißes aber hat diese symbolische Bedeutung nur, weil ihm die Fähigkeit der Spiegelung und des Widerscheins eignet. 
Jetzt noch ist unser Antlitz oftmals finster, in den Flecken und Falten verschwindet das Licht, das vom Anderen ausgeht, spurlos. Jetzt noch prallt das Sehnen des Anderen an uns ab, weil wir in uns selbst verkrümmt nur mit unseren Belangen zu tun haben. Jetzt noch verdunkeln wir G"ttes Ehrenschein, weil unser Machtstreben und Überlegenheitsverlangen die andere Kreatur niederkämpfen muß, friedlos, heillos.
Dann aber wird unser helles Antlitz die Freundlichkeit des Anderen aufnehmen und widerscheinen lassen, dann aber werden wir mit aufrechtem Leib einander frei begegnen können, dann wird auch endlich G"ttes Herrlichkeit vollendet sein.
Denn dann wird das Antlitz jeder Kreatur lichthell sein und strahlen, weil auf jedem Antlitz und an jedem Leib die Herrlichkeit aller Anderen und G"ttes aufscheint - „wie in einem Spiegel“ und doch auch „von Angesicht zu Angesicht“. Dann und erst dann wird der ewige G"tt sich ganz und gar aller seiner Werke freuen können.
Vorerst und bis dahin und wie ein Angeld auf das kommende Reich G"ttes bleibt uns: G"tt schön zu machen durch unser Lob, solange wir leben.

Halleluja.

G"ttesdienst vom 12.5.2002 in der Gemeinde 'Bodelschwingh'.

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